Das Sommerloch treibt immer seltsamere Blüten.
Eine ganz besonders exotische pflückte jüngst ein zehnjähriger Nachwuchs-Indiana Jones auf dem Dachboden des großmütterlichen Hauses in Diepholz.
Der Sensationsfund ging vor ein paar Tagen durch die deutsche Presse. Diese wahnsinnig authentische ägyptische Mumie des Schlach-mich-tot-anch-amun samt Grabbeigaben unter irgendwelchen Schindeln oder Dachbalken oder sonst was verborgen erschütterte die Medienlandschaft auf's Äußerste.
Und mein Zwerchfell auch.
Die Mumie von Diepholz - Foto: Lutz Wolfgang Kettler
Schon lange habe ich nicht mehr so herzhaft gelacht wie über diese hanebüchene Geschichte, die um die Herkunft dieser angeblich echten Mumie von dem Vater des jungen Entdeckers konstruiert wurde. Ein Blick auf die Fotos des Gerümpels genügt, um zu erkennen, daß sich da jemand ganz viel Mühe gemacht hat, Ägyptenkitsch aus den Touristenfallen Luxors oder Hurghadas und deutschen Museumsshops zusammenzutragen, um sich daraus eine private Geisterbahn oder Dekoration für die nächste Halloweenparty zu basteln. Betrachten wir die Mumie doch einmal genauer: besonders die absurde Armhaltung verrät schon, daß es sich dabei um keine echte Mumie handeln kann. Abgesehen davon sind angeschmuddelte Elastikbinden auch nicht wirklich von ägyptischen Utpriestern bei der Einbalsamierung verwendet worden.
Der Knaller schlechthin ist jedoch der Sarg, eine schnöde Holzkiste, die mit Ägyptentapete, die Ende der 80er bzw. in den 90ern der letzte Schrei in Bau- und Heimwerkermärkten war, verziert wurde. Ähnlich bedruckte Tapeten gibt es immer noch käuflich zu erwerben, u.a. bei Ebay - wie auch diese schlecht modellierte Kanope mit ihrer sinnlosen Inschrift, die der Junge in einer weiteren Kiste auf dem Dachboden gefunden haben will. Das Leichentuch, auf dem die Mumie ruht, ist auch ein solch typisches Produkt ägyptischen Touristenramschs: ein Batiktischtuch mit ägyptischen Motiven und Pseudohieroglyphen, das man für ein paar Euros in Museumsshops erwerben kann.
Und diese wirklich schreckliche Replik der Totenmaske Tutanchamuns, die kenne ich noch als Wanddeko meines ägyptischen Lieblingsrestaurants, das ich Ende der 80er häufig besuchte und das leider Mitte der 90er seine Pforten schloß.
Aber wieso gibt sich jemand solche Mühe, bastelt dieses Mumiending und den passenden Sarg dafür und spielt der Presse eine derartige Schmierenkomödie vor? Als Sommerferienfreizeitbeschäftigung für den gelangweilten Sohnemann? Höchst erstaunlich ist ja auch noch, daß diese Geschichte mittlerweile von der Journaille weltweit aufgegriffen wurde. Sind Journalisten wirklich so ungebildet und so leicht an der Nase herumzuführen, daß sie nicht erkennen können oder wollen, daß es sich bei der Diepholzer Mumie um eine Fälschung handelt? Das Teil schreit einen doch schon an: "ICH BIN EIN FAKE, DU IDIOT!"
Beleuchten wir einmal die Hintergründe des Fundes und des Finders: da ist erst einmal der kleine Sohn eines Zahnarztes, der auf dem Dachboden herumkrautet und dabei zuuuufällig auf diese Kisten mit der angeblichen Mumie und den Grabbeigaben stößt. Ja, Zahnärzte....hmmm...die werden ja gerne von solch mysteriösen Erscheinungen heimgesucht. Man denke nur an den Chopper, der Anfang der 80er eine bayrische Zahnarztpraxis heimsuchte: Chopper, die Stimme aus dem Abfluß
Na, und dieser Zahnarzt hat eben 'ne Mumie auf'm Dachboden. Wenn sich so etwas herumspricht, kurbelt das ja auch irgendwie das Geschäft an...vielleicht lief die Praxis nicht mehr so gut?
Eine andere, wesentlich kriminellere Möglichkeit wäre, wenn sich beim Durchleuchten der Mumie herausstellen würde, daß das Ding tatsächlich antike Artefakte enthält, die wiederum aufgrund der fantastischen Geschichte, die der Zahnarzt zum Besten gab - Herkunft derMumie - angeblich aus den 50er Jahren stammten? Damals wurde die Antikenausfuhr nämlich noch nicht so streng reglementiert. Erst 1983 beschloß die ägyptische Regierung, daß sämtliche Artefakte, die auf oder in äg. Boden gefunden werden, Staatseigentum sind und das Land dauerhaft nicht verlassen dürfen.
Hätte der Großvaters des jungen Entdeckers jetzt also die Mumie samt echter Amulette (möglicherweise oder was sich sonst in der Mumie versteckt) VOR 1983 (im lizensierten Handel) in Ägypten erworben und außer Landes geschafft, wie es der Zahnklempner der Presse weismachen will, wären die Artefakte sein rechtmäßiges Eigentum.
Die Frage ist nun: stammen die Mumie und deren möglicher Inhalt tatsächlich aus den 50er Jahren?
Ich denke nicht, ich denke eher, die ganze Sache stinkt und zwar gewaltig.
Es ist nun einmal so, daß etliche Objekte in den letzten Jahren seit der Revolution 2011 aus ägyptischen Museen und Magazinen oder von Grabungen geraubt und in den dunklen Abgründen des Antikenschmuggels verschwunden sind. Ein Konvolut solcher illegal erworbenen Artefakte wurde jüngst sogar bei Christie's in London angeboten und nicht nur ein Antikenhändler wurde zu einer schmerzhaften Geldstrafe verurteilt, weil er eben solche Stücke zweifelhafter Provenienz verkauft hat.
Backen wir ein wenig Spekulatius - Weihnachten ist ja nicht mehr weit...
Wenn jetzt ein solches Objekt vielleicht erst 2011 oder 2012 ans Tageslicht befördert wurde - es muß ja nichts Großes sein, eine kleine Statuette wie ein Uschebti, ein Herzskarabäus, ein Ring... - und es durch irgendwelche obskuren Kanäle und Umwege nach Deutschland geriete, quasi als illegaler Auswanderer (siehe das ägyptische Antikenrecht von 1983), was macht man dann am besten, um die Antiquität zu legalisieren und sicherzustellen, daß man nicht wegen Antikenschmuggels verknackt wird?
Ganz klar: man gibt dem Stück eine falsche Geschichte und macht am besten noch ganz viel Wind darum, daß einem die Story auch nur ja abgekauft wird.
Die Presse läßt sich ja offensichtlich leicht instrumentalisieren - ganz besonders während des Sommerlochs, wo eh nix los ist!
Aber vielleicht steckt auch nichts dahinter außer einem verspäteten Aprilscherz und die spinnerten Ägyptologen mit ihrer Provenienzfälschungsgeschichte leiden nur an den Spätfolgen eines gewaltigen Sonnenstichs...
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