Mittwoch, 10. Februar 2016

Gothic Friday: Wie bist du in die Szene gekommen?

Im Rahmen des Gothic Fridays – was das ist, könnt ihr HIER nachlesen - wurde auf spontis.de die Frage gestellt: „Wie bist du in die Szene gekommen?“
Um meinem Blog mal wieder ein wenig Leben einzuhauchen, möchte ich den GF Februar zum Anlaß nehmen, über meine Anfänge in der schwarzen Szene zu sinnieren und zu rekapitulieren, wie dort hineingeschlittert bin. Über das Wie und Warum habe ich mich eigentlich schon ausführlich in diesem Blog ausgelassen, daher stellt dieser Post eigentlich nur eine ultrakurze Zusammenfassung für den GF dar. Dazu habe ich einige Erinnerungssplitter zusammengetragen und mein jüngeres Ich befragt, an was es sich sonst noch so erinnern kann - abgesehen von den Erlebnissen, die man in älteren Posts hier nachlesen kann.

Eigentlich muß ich ziemlich weit in der Zeit zurückgehen. Nämlich in die 70er Jahre des letzten Jahrtausends, denn da fing alles an...

Einen gewissen Hang zu morbiden Themen und Friedhöfen hatte ich immer schon. Das war die Schuld von Tante Ella, die auf mich aufpasste, während meine Eltern zur Arbeit gingen. Tante Ella war Witwe und sie nahm mich regelmäßig zum Grab ihres verstorbenen Mannes mit. Friedhöfe fand ich spannend, vor allem, als Tante Ella mir erklärte, warum man die Toten dort beerdigte und was mit den bestatteten Körpern geschah. Kleine Kinder stellen die seltsamsten Fragen und wollen alles genau wissen. Da war ich keine Ausnahme. Und Tante Ella gab mir konkrete und ausführliche Antworten.
Die Vorstellung, daß Würmer an einer Leiche herumknabberten und sich der Tote langsam, aber sicher zersetzte, erfüllte mich mit wohligem Schauer. Aber was passierte, wenn man aus Versehen einen lebendigen Menschen beerdigte? Und was geschah überhaupt, wenn ein Mensch starb?
Ja, über solche Dinge sprachen Tante Ella und ich...

Wirklich losgelassen hat mich die Faszination für diese Thematik, für die Dunkelheit, die Nacht und all die Wesen, die diese bevölkern, nie. Im Grunde beschäftige ich mich seit meiner frühesten Kindheit damit: angefangen mit Spuk- und Gruselsammelbänden und Comics im zarten Grundschulalter, über klassische Vampirgeschichten, Romane von Stephen King, Horrorfilme (kein Splatter!) bis hin zu philosophisch-religiösen Fragen nach dem Leben nach dem Tod, nach dem Jenseits, nach Reinkarnation etc. Und irgendwie passte mein Berufswunsch – Ägyptologin - dort auch hinein.

Damit stand ich immer abseits. Ich war eben seltsam. Meine Mitschüler konnten nicht viel mit mir anfangen, hatte ich das Gefühl. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit: wir hatten nicht viel gemeinsam. Und die schwarze Kleidung kam irgendwann dazu, um sich noch deutlicher von den anderen abzuheben und ihnen zu signalisieren: Ich gehöre nicht zu euch und ich WILL auch gar nicht!

In der Oberstufe, als unser Jahrgang durch neue Mitschüler verstärkt wurde, traf ich auf einmal auf Leute, die die gleichen Vorlieben teilten, die gleichen Bücher lasen, die gleichen Filme guckten, die das Diktat der angesagten pastellfarbenen Markenklamotten ebenso gräßlich fanden wie ich und bei denen die Top Ten nur Brechreiz auslöste. Denn was waren die geschniegelten, aalglatten Jungs von Spandau Ballet gegen Robert Smith und The Cure? „A Forest“ war und ist seitdem und immer noch mein absoluter Lieblingssong, denn der Text gibt ziemlich genau wieder, wie ich mich Mitte der 80er fühlte.



Von Gruftis und Wavern hatte ich bis dato auch schon vernommen – Bravo sei Dank!
Irgendwie passte das zu mir. Die Klamotten, der Schmuck, die robertsmithoesken Haare und die Schuhe...besonders die Schuhe! Ich verliebte mich in ein Paar Pikes, auf das ich lange sparte. Diese Liebe hat bis heute angehalten und meine ersten Pikes dürften dank einiger Nachfolger mittlerweile in Rente gehen.

Goth(ic)s gab's damals noch nicht – jedenfalls nicht bei uns – und Schwarzkittel waren tatsächlich eine Art dunkler Punks, die noch nicht viel mit dem gemein hatten, was später in die Kategorie Gothic gestopft werden sollte.
Die ersten richtigen Schwarzen lernte ich kleiner Kaffgrufti dank meiner älteren Freundin Steffi kennen, die schon einen Führerschein besaß und mich mit ins Bla nahm. Dort hingen im Bonn der 80er Punks und Gruftis (manchmal auch Ökos) gemeinsam ab. Der deutlichste und offensichtlichste Unterschied zwischen beiden Gruppen lag in der Verwendung bzw. Abwesenheit von Farbe. Gruftis trugen ausschließlich schwarze, allenfalls weiße, manchmal auch dunkelrote oder violette Kleidungsstücke. Dieser bunte Exzess stellte jedoch schon fast einen Frevel dar und wurde hin und wieder mit einem verächtlichen „Pseudo!“ abgestraft. Jaja, Mr. Dunkelschwarz (ein Waver aus der Hauptschule, der sich für den einzig authentischen Schwarzkittel der Gegend hielt) hat mir das auch einmal an den Kopf geknallt, als ich einen dunkelvioletten Rock trug. Dabei hatte ich echte Pikes aus England und war deshalb viel truer als er, HA! :D

Und dann gab's da Albert...
Angeblich hieß er so. Er sah aus wie der jüngere Bruder von Robert Smith, war schon Anfang 20 (also schon richtig alt aus meiner damaligen Perspektive) und trug schwarze, enge Lederhosen, ein weißes, flatteriges Hemd, Pikes und Nietenarmbänder. Mit Sicherheit wusste er um seine Ähnlichkeit zum Cure-Boss, denn er schminkte und frisierte sich auch so.
Ich fand ihn toll, aber himmelte ihn immer nur aus der Ferne an, hatte er doch stets seine dunkle Anhängerschaft um sich geschart. Die waren aber alle nett und man konnte sich prima mit ihnen unterhalten und diskutieren. Man hatte ja auch jede Menge Gesprächsstoff, da man sich für die gleichen Dinge interessierte und offen war für Neues. Und dann war ich plötzlich mitten drin: unter freundlichen Leuten, die mich nicht für durchgeknallt hielten, die mich ernst nahmen, die meine Vorliebe für das Alte Ägypten toll und nicht bescheuert fanden und mich durch ihre Neugier und ihre Fragen, was mich besonders daran reizte, darin bestärkten, das zu tun, was mir am wichtigsten war (und immer noch ist): meiner Passion für die Ägyptologie zu folgen.

Es mag sich jetzt schmalzig oder abgedroschen anhören, aber rückblickend auf die damalige Zeit war die Akzeptanz und der Rückhalt, den diese Leute mir - ohne es zu wissen oder zu wollen – entgegenbrachten, sehr wichtig für mich. Ich dürfte ich sein mit allen Facetten. Und ich denke, das ist auch heute der Grund, wieso ich mich in der schwarzen Szene, trotzdem sie sich im Vergleich zu damals sehr gewandelt hat, immer noch zuhause fühle.

In dem Zusammenhang möchte ich auch auf den Dreiteiler "Hassu Haarlack dabei?" bzw. den Zweiteiler "Missionierungsversuche" verweisen, in dem ich einige Erinnerungen und auch, was das Schwarzsein für mich bedeutet, konkreter schildere.

Donnerstag, 30. Juli 2015

Amphi 2015 - wie war's?

Nun sind bereits ein paar Tage vergangen und die vielfältigen Eindrücke, die Töchti und ich auf dem Amphi gesammelt haben, haben sich setzen können.
Das Amphi fand ja dieses Jahr das erste Mal in der Lanxess Arena und nicht mehr im Tanzbrunnen statt, dann spielte auch noch das Wetter verrückt: dank einer Unwetterwarnung dürfte der Außenbereich am Samstag erst gegen 21 Uhr öffnen, die Veranstaltungen, die auf den beiden open air-Bühnen hätten stattfinden sollen, wurden verschoben bzw. fielen gleich ganz aus.
Bis dahin waren die mehr oder weniger ungehaltenen Besucher in der Lanxess-Arena eingesperrt, wo sich etliche "das Festival schön saufen" mussten (so öfters auf Facebook zu lesen).

Amphioutfit Tag 1

Das Töchti und ich zogen wie 1000e andere unsere Kreise im Innenbereich um die Arena herum - so ungefähr müssen sich Muslime im Gedrängel bei der Umrundung der Ka'aba fühlen, nur daß wir nicht in weiß, sondern in schwarz unterwegs waren - und begutachteten das gastronomische Angebot. Das war dieses Jahr erstaunlich vielfältig (besonders, als schließlich der Außenbereich öffnete) und die Preise... naja, sooo viel günstiger als im Tanzbrunnen waren sie nicht, aber für das eine Wochenende zu verschmerzen. 3 Euro für eine Bratwurst ist ja fast schon normal und 4 Euro für fast einen halben Liter Cola im Plastikbecher, den man sich am Trinkwasserbrunnen kostenlos nachfüllen konnte, okeeee... Kinopreise halt... *grimassenschneidet*
Da wir beim Unrunden der Arena - der Samstagsplan inkl. Shoppingtour, Flanieren im Außenbereich und abends gemütlich DAF hören fiel ja ins Wasser - bald auf Bekannte trafen und neue kennenlernen dürften, hatten wir trotz dieses holprigen Amphistarts einen einigermaßen lustigen Tag. Wir quatschten viel, wir lästerten und lachten und hatten unter'm Strich doch ziemlich viel Spaß, besonders als Ian von Gotikatur - wir haben uns sehr gefreut, dich kennenzulernen :) - sein schwarzes Buch zückte und uns zu zeichnen begann. Mit Ian hingen wir dann auch den größten Teil des Tages ab - irgendwie hatten wir uns sehr viel zu erzählen - und begaben uns nach etlichen Hinweisen auf eine indoor-Händlermeile auf die Suche nach derselben. Die stellte sich als ziemlich tricky heraus, aber nach langem Herumgekreisele und Zickzackkursen im Labyrinth aus Absperrbändern und Bauzäunen - Wegweiser und Hinweisschilder fehlten definitiv - fanden wir ungefähr ein Dutzend Stände in einem Gebäude, wo auch noch genügend Platz für weitere gewesen wäre, die allerdings draußen standen und nicht öffnen dürften. 

Gotikatur: Muddi und Töchti

Am zweiten Amphitag - meinem Geburtstag - waren uns die Wettergötter dann endlich hold und die Sonne schien. Glücklicherweise wurde es jedoch nicht so heiß wie letztes Jahr, die Temperaturen blieben angenehm, das Make-up schmolz nicht und die Haare hielten trotz teils garstiger Windböen ebenso - dank viel, viel Haarlack. Vorsichtshalber hatten wir wieder eine Flasche davon dabei. Ein anständiger Grufti geht ja ohnehin nie ohne aus :D


Welchen Unterschied das gute Wetter und der endlich offene open air-Bereich doch machten! Die Masse, die am Tag zuvor in der Arena eingepfercht war, verteilte sich nun auf dem gesamten und doch recht großzügigen Gelände. Wir strolchten herum und entdeckten immer mehr und dabei auch die Liegewiese mit der Green Stage und ein paar Händlerständen. Dort machten wir dann auch das Zelt von Parfume Noire ausfindig, wo ich die liebe Nachtkatze vermutete. Ihr mißtrauischer Gesichtsausdruck, als ich sie ansprach, war unbezahlbar: "Oh, Goth, woher kennt die Trutsche mich?" *lach* Aber als ich das Töchti und mich dann vorstellte, änderte sich das schnell...


Nach ausgiebigem Shopping - das Kind war wild entschlossen, seiner Mama etwas Schönes zum Geburtstag zu schenken - war ich stolze Besitzerin der Fledermaushandtasche von Banned, die ich schon lange anschmachte, und dem passenden Portemonnaie, das das Töchti mir überreichte. Danke, meine Süße!

Das Töchti in Mamas antiken Samtklamotten

Irgendwann begaben wir uns doch in die Arena. Für mich stellt die Arena mit ihrem schier endlosen Platz und den unzähligen Sitzgelegenheiten einen enormen Vorteil dar, den der neue Veranstaltungsort gegenüber dem Tanzbrunnen hat. Auch wenn ich liebend gerne stundenlang direkt vor der Bühne abtanzen würde, schaffe ich's aus gesundheitlichen Gründen nicht. Ich hab' Rheuma und bekomme wahnsinnige Rücken- und Gelenkschmerzen, wenn ich mich längere Zeit nicht setzen kann. Das hat mir schon das Amphi letztes Jahr ein wenig verhagelt :P 
Dieses Jahr jedoch machte ich nicht schlapp, da ich die Konzerte, die ich mir anhören wollte bzw. musste *zumtöchtischielt*, auf einem der bequemen Sitze in der Lanxess Arena genießen konnte. Nur bei The Mission hielt mich nichts mehr, die musste ich in unmittelbarer Nähe erleben ;) 



Tja, wie war das Amphi nun? Alles in allem ein etwas holpriger Neustart für das Festival an einem Veranstaltungsort, der anscheinend den wenigsten Besuchern zusagt - diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls, liest man sich durch die vielen Kommentare auf der Facebookseite des Amphi Festivals. Auch nett, wenn Leute über die neue Location und das Festival motzen, die gar nicht da gewesen sind und sich eigentlich kein Urteil erlauben können *räusper*

Was mir persönlich überhaupt nicht gefallen hat, waren die Pottsäue, die ihre teilweise noch vollen Becher mit in die Arena nahmen und mit mehr oder weniger Inhalt einfach während des Konzerts fallen ließen. Der Boden war insbesondere vor der Bühne übersät mit zertrampelten Bechern und anderem Zeugs und klebte. Den unermüdlichen Servicekräften sei Dank, die den Müll so gut, wie es ging, zwischen den Gigs beseitigten, stapelte sich der Dreck nicht bis unter die Decke. Darüber wurde auf FB auch lang und ausgiebig geschimpft und es war selbstverständlich die Schuld des Veranstalters, der kein Pfand auf die Plastikbecher erhoben hat. Der Veranstalter kann allerdings nichts dafür, daß etliche Leute zu doof oder zu faul waren, ihre Becher zur Becherrückgabe zu bringen oder in Mülltonnen zu werfen, die überall auf dem Gelände herumstanden.
Trotzdem wäre Becherpfand eine gute Idee, diesem Sumpf einen Riegel vorzuschieben.

Ein weiterer Kritikpunkt war die Akustik der Lanxess Arena.
Hmmja, ich empfand die Akustik trotz einiger Fehler der Tontechniker - schrilles Gequietsche aus Waynes Mikro, während er sang, z.B. - als gar nicht so schlecht. Sicherlich dröhnte es ab und an und der Klang war abhängig davon, wo man sich in der Arena aufhielt, etwas dumpf, aber das war kein Vergleich zu dem Gebrumme im Staatenhaus! Zumal die Arena sehr viel mehr Platz bietet und über eine hervorragend arbeitende Klimaanlage verfügt...

Ja, der Tanzbrunnen ist netter, die Lage am Rhein schöner, das Gelände ansprechender. Aber bedenkt man Vor- und Nachteile beider Locations, so halten die sich doch die Waage.
Der Tanzbrunnen war diesem Ansturm nicht mehr gewachsen, Staatenhaus und Theater boten nicht genügend Plätze für alle Besucher, etliche Leute wurden von Veranstaltungen ausgeschlossen, weil die Kapazität (insbesondere vom Theater) nicht ausreichte.
Abgesehen davon, daß der Amphisamstag aufgrund des Unwetters wahrscheinlich ganz ausgefallen wäre, hätte das Festival im Tanzbrunnen stattgefunden...

Gut, ich habe anfangs auch genölt, ich wolle wieder zum Tanzbrunnen zurück, die Arena sei häßlich etc. und ehrlich gesagt, bin ich immer noch zwiegespalten, was ich von der neuen Location halten soll, aber deren Vorteile liegen jedenfalls für mich auf der Hand. Und mal ehrlich: es war ja nicht alles schlecht, oder? Sonst wären die meisten am Sonntag wohl gar nicht wiedergekommen ;)

Ich denke, daß sich sowohl die Besucher als auch die Veranstalter erst einmal an die Lanxess Arena, deren Umgebung und deren Eigenheiten gewöhnen müssen. Wer jedoch schon mit der Erwartungshaltung "Das Festival wird besch..." hingegangen ist, wird sich wohl bestätigt sehen. Wenn man Haare in der Suppe sucht, findet man auch welche und verliert dabei möglicherweise alles andere aus dem Blick.
Tja, und die Kinderkrankheiten, die nach dem Umzug aufgetreten sind, werden hoffentlich nächstes Jahr ausgemerzt werden. Ich erlaube mir, diesbezüglich mal optimistisch zu sein und zu hoffen, daß die Veranstalter aus den Mißgeschicken und Pannen dieses Jahres lernen.
Den Meckerfritzen möchte ich allerdings sagen, daß es an euch liegt, was ihr während einer Veranstaltung erlebt, die aufgrund widriger Umstände vielleicht nicht so glatt läuft, wie ihr das erwartet. Ja, ihr habt einen Haufen Kohle für dieses WE hingelegt, aber lamentierend vor'm Bierstand herumzutorkeln und schon um 12 Uhr mittags hackedicht zu sein, macht's auch nicht besser. Konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge anstatt "Die Arena ist so Scheiße und hat keinen Flair" hilft dem Veranstalter sehr viel mehr weiter als diffuses Gejammer. Ein Festival ist schließlich auch das, was die Besucher daraus machen ;)
So, Ende der Moralpredigt!

Zum Schluß noch der Link zu einem Foto von Töchti und mir: Virtual Nights
Wir sehen uns nächstes Jahr auf dem Amphi! Trotzdem...

Mittwoch, 3. Juni 2015

Gruftorexie - eine erbliche Krankheit?

Neulich war Tag der offenen Tür in der Schule.
Das Töchti wird trotz ihrem wilden Äußeren bei solchen Gelegenheiten immer wieder gern zu einem der Repräsentanten ihrer Schule gewählt und als Ansprechpartnerin für neue Schüler und deren Eltern auserkoren. Außerdem fungiert sie als Patin für eine der neuen fünften Klassen, denn das Töchti ist eloquent, höflich und hilfsbereit und im Umgang mit jüngeren Kindern sehr geduldig.
An diesem Tag arbeitete sie als eine Art Reiseleiterin und hielt Schilder mit den Nummern der Klassenräume hoch, zu denen die verschiedenen Besucher geleitet werden sollten. Zu ihren Aufgaben gehörte es u.a., Eltern und Kindern, die sich trotzdem verliefen, dabei behilflich zu sein, zum gesuchten Veranstaltungsort zu gelangen.

Für die fleißigen Helfer gab es dann irgendwann einmal eine Pause und bergeweise Kirschkuchen, der im Foyer vor der Aula an die Reiseleiter verteilt wurde. Dem Töchti blieb allerdings fast der Bissen im Hals stecken, als eine 08-15-Stino-Mutti (in der hier üblichen Stino-Mutti-Uniform mit topfigem Kurzhaarschnitt, Strickjacke, pastellfarbener Bluse und Jeans) samt Sohnemann (in feinstem Esprit- & Jack Wolfshit-Zwirn) aus der Aula kam und sich vor ihr aufbaute. Sie glotzte das Töchti, das dem Kirschkuchen fröhnte, entgeistert an. Ihre Miene wechselte zwischen Mißbilligung und Verstörung, die ihres Sprößlings zwischen Langeweile und Verständnislosigkeit.

Da die Parole "Lächeln und winken!" ausgegeben worden war, tat Töchti genau das. Hätte ja auch sein können, daß die beiden Hilfe benötigten. Aber bevor Töchti danach fragen konnte, beugte sich die Mutter zu ihrem Sohn hinunter und erklärte so laut, daß alle Umstehenden es hören konnten: "Guck mal, das Mädchen da hat eine psychische Erkrankung, sonst würde sie nicht so herumlaufen!"

Töchti runzelte die Stirn und zeigte der Mutti in Gedanken den Mittelfinger, erwiderte aber nichts, sondern biß lieber von ihrem Kirschkuchen ab. Außerdem weiß sie, daß man mit vollem Mund nicht spricht. 
Für eine 15jährige, die weiß Goth sonst nicht auf die Gusche gefallen ist, ist das schon eine reife Leistung. Ich hätte in dem Alter bei einer solch dämlichen Bemerkung nicht so gelassen reagiert, sondern die Ollsche bestimmt angepöbelt und ihr irgendetwas Unflätiges an den Kopf geworfen... oder den Kuchen... *verlegenräusper*
Die Stino-Mutti befürchtete wahrscheinlich genau das und suchte, ihr Kind hinter sich herzerrend, das Heil in der Flucht. Solche komischen Typen sind ja unberechenbar!

Die Schüler von Töchtis Patenklasse hingegen, die aus um die zehn Jahre alten Kiddies besteht, finden ihre schwarz gewandete Tante cool. Einer der Jungen, der auf Horrorfilme steht und wahrscheinlich schon Sachen gesehen hat, die nicht altersgerecht sind (Saw fand er langweilig), fragte bei der Rallye durch die Schule: "Bist du ein Grufti?" Töchti war hin und weg. So ein nettes, kluges Kind! Ein anderer Zwerg wandte ein, daß es sich ja bei Töchti auch um einen Emo handeln könne, woraufhin Töchti ihm kindgerecht zu erklären versuchte, wo die Unterschiede zwischen Gruftis und Emos liegen - jedenfalls hinsichtlich der äußeren Merkmale wie Outfit, Haartracht etc.
Der kleine Horrorfan meinte: "Man sieht dir aber an, daß du ein Grufti bist. Ich hab mich aber nicht getraut, dich anzusprechen, weil ich dachte, du könntest das als Beleidigung verstehen!" Awwwwwww.... Töchti fand das irrsinnig süß. Vorurteilsfrei und neugierig gingen die Kleinen auf Töchti zu und sind heute noch hocherfreut, wenn sie einander im Schulflur begegnen.

Aber die Stino-Mutti, die bei meinem Kind eine psychische Erkrankung anhand des Kleidungsstils diagnostizierte, nenene...
Scheint jedenfalls eine Erbkrankheit zu sein :D
Die Geschichte gab immerhin Anlaß zu fröhlichem Geläster und Gekicher, um so mehr, da Mutter und Sohn samt ihren Uniformen voll ins Dorf-Stino-Bild passten. Zu welchem Befund käme die Trulla wohl, würde man sie Pfingsten in Leipzig aussetzen? Eine Gruftorexie-Epidemie?

Naja, aber das war wieder mal irgendwie typisch für unsere Dörfler hier. Die sind echt schon ganz schön seltsam, diese Normalos...
Haste keine Jack Wolfshit- oder Hollister-Klamotten, biste in unserem Kuhkaff eh schon ein Punk, ist dein Auto älter als zwei Jahre, biste asozial, stehen die Geranien auf dem Balkon nicht in Reih' und Glied, ein Messie...
Naja, who cares? Die lästern über uns, wir über sie. So gleicht sich das wieder aus - egal, an welcher Geisteskrankheit man nun auch immer leidet...

Montag, 1. Juni 2015

Pikes: The Gothic Shoe Company

Ich habe es doch gewagt.
Und ich wurde nicht enttäuscht.
Als die Gothic Shoe Company (GSC) Ende April erstmals old school pikes anbot, wurde ich unruhig...

The Gothic Shoe Company ist im Grunde das Nachfolgeunternehmen von Retroshu, diesmal zeichnet sich allerdings der Sohn des Retroshuinhabers, Kris, für das Unternehmen und die Produktion des begehrten spitzen Schuhwerks verantwortlich. Das Handwerk hat er von seinem Vater gelernt und liefert eine ebenso qualitativ hochwertige Arbeit ab wie dieser. 
Im Gegensatz zu damals jedoch - wie oft habe ich versucht, Pikes bei Retroshu zu bestellen und nie ist es mir gelungen, mit dem Inhaber oder seinen Mitarbeitern in Kontakt zu treten! - ist Kris sehr kommunikativ. Anfragen auf Facebook werden innerhalb von Minuten beantwortet.

Von li nach re: Nevermind, Retroshu, Boots & Braces, Underground Shoes, GSC, 80er Jahre Relikt

Und so habe ich dann auch kurzentschlossen ein Paar der old school pikes während eines Facebookchats bei ihm bestellt. Er fragte, wie ich bezahlen wolle und nach ein paar Minuten trudelte die Mail mit dem entsprechenden Paypallink bei mir ein. Ich wies die Zahlung sofort an und nur wenige Minuten später meldete sich Kris bei mir auf Facebook, bedankte sich für den Auftrag und die Zahlung, die er bereits erhalten hatte, und erklärte, daß es eine Woche dauern würde, meine Wunschpikes zu bauen.
Dieses Versprechen hat er auch eingehalten: genau eine Woche später erhielt ich die Mail, daß meine Schuhe verschickt worden waren.
Bis sie allerdings nach langer Irrfahrt (dank der Inkompetenz des deutschen Kurierdienstes) bei mir eintrafen, ist eine andere Geschichte, die ich euch später mal erzähle. Kris kann dafür nichts, er hat alle Termine und Zusagen eingehalten.

von li nach re: Retroshu, GSC, 80er Jahre Relikt

Die Form der old school pikes von GSC ähnelt der meiner alten 80er Jahre Pikes. Der auffälligste Unterschied ist mal wieder die Farbe der Reißverschlüsse, auch bei den GSC-Pikes sind die aus silberfarbenem Metall, obwohl ich eigentlich schwarze bestellt habe. Daß dieser Wunsch ignoriert wurde, ist allerdings nicht tragisch. Schwarze Reißverschlüsse aus Kunststoff halten eben nicht so lange wie metallene - vor allem bei mir, ich schrotte die im Nullkommanichts!
Wie bei meinen Retroshupikes sind auch hier die Riemen verstärkt worden, die Sohlen sind jedoch so flach wie bei meinen alten. Sie könnten jedoch größer sein, denn das Leder steht ein wenig über, was zur Folge haben könnte, daß sich die Spitzen wesentlich schneller abstoßen als normal. Die Schwachstellen bei Pikes sind nun mal die Spitzen und besonders gefährdet sind diese beim Treppensteigen...


Die Spitzen verjüngen sich nach vorn hin wesentlich mehr als die meiner anderen neuen Pikes, sind jedoch noch nicht so spitz wie die der ultraspitzen alten Modelle. 
Kris arbeitet jedoch eifrig daran, diese Kinderkrankheiten noch auszumerzen. Man bedenke, daß ich eines seiner allerersten Exemplare old school pikes erhalten habe, bislang hat er den breiteren Retroshustil gebaut.


Dafür bin ich sehr zufrieden, zumal die Pikes schon den ersten Praxistest mit Bravour gemeistert haben: eine stundenlange Shoppingtour in der Stadt, etliche Treppen rauf (dank jahrzehntelanger Übung stoße ich mir nicht die Spitzen dabei an) und wieder runter, über Kopfsteinpflaster und holprigen Asphalt - man läuft einfach gut darin. 
Ich habe übrigens meine normale Schuhgröße bestellt (UK 8 ladies size) und die Pikes passen wie angegossen. Ich brauchte sie nicht eintragen, sie sitzen einfach perfekt.
Mit Sicherheit wird dieses Paar nicht mein letztes von GSC sein, zumal ich mir noch meinen Jugendtraum Pikes mit Fledermausschnallen erfüllen möchte.
Und für das Töchti gibt es die mit Pentagrammen... 
Ach, und dann gibt es ja noch diese wunderbaren Neunschnaller und... *uffz*

Freitag, 30. Januar 2015

Amphi 2015

Neulich kamen die Tickets für das Amphi 2015 an. Juhu!
Line-up ist auch nicht so schlecht - ich freue mich besonders auf The Mission - und der Tod kommt auch wieder.


Eigentlich wollten wir es ja dieses Jahr auf's WGT schaffen, aber auch diesmal kommt uns wieder ein anderer Termin in die Quere. Für das Töchti stehen die Abschlußprüfungen in der Realschule an und da sie den Quali für's Gymi schaffen möchte, will sie 'reinhauen. Logo, daß wir sie dabei unterstützen! Das WGT wird ja wahrscheinlich nicht das letzte Mal stattfinden....
Was steht bei euch denn dieses Jahr so an?

Donnerstag, 29. Januar 2015

Crash Test Stinos

...oder Schubladen für Schubladendenker...

Irgendwie isses ja schon komisch mit den Stinos und den Gruftis.
Es gibt tatsächlich welche, die bekennen sich voller Wehmut dazu, in ihrer Jugend auch mal in die schwarze Szene hineingeschnuppert zu haben, bevor sie dem gesellschaftlichen Druck nachgegeben und sich angepasst haben. Die bekommen dann bei Anblick von Pikes und Fledermäusen glänzende Augen und freuen sich, daß es Leute gibt, die trotz ihrem biblischen Alter von über 40 Jahren immer noch so herumlaufen. Dieser Stinotyp - nennen wir ihn Phasengothic -  ist zumeist sehr interessiert und wißbegierig und schwelgt gern in Erinnerungen. 

Ebenfalls zu den dem Schwarzvolk wohlgesonnenen Stinos gehören ein Teil der Verständnislosen (siehe dort), die zwar nicht kapieren, wieso man keine farbenfrohen Klamotten trägt, aber einen gemäß dem Motto "Jedem Tierchen sein Pläsierchen!" freundlich begucken und in Ruhe lassen, und diejenigen, die sich auch zu den Unangepassten zählen. Ein Unangepasster besitzt oft gewisse Gemeinsamkeiten (Interessen, Musik, Filme z.B., Ablehnung des Mainstream etc.) mit dem Grufti, unterscheidet sich äußerlich jedoch sehr. Die Bandbreite ist beträchtlich. In meinem Freundeskreis befinden sich etliche Varianten des Unangepassten. Zwei nette Unangepasste, die es sich jedoch nicht nehmen ließen, dem Töchti und mir ein neckisches "Emooooo!" nachzurufen und daraufhin einen Stinkefinger vom erbosten Kind ernteten, begegneten uns letzten Sommer beim Dorfsupermarkt. An diesem Tag war es irrsinnig heiß. Ich lutschte gedankenverloren an einem Eis und hatte davon nichts mitbekommen, aber das Töchti echauffierte sich sehr und zeterte herum. Wir hatten bis dato so oft Emo-Rufe vernommen, daß allein das Wort ausreichte, das Kind zum Hulk werden zu lassen. Da standen wir also so vor dem Supermarkt herum, das Töchti meckerte und einer der Unangepassten kam heraus und entschuldigte sich tatsächlich. Es sei ja nicht böse gemeint gewesen und nur ein Scherz blablabla. Wir erklärten dem langhaarigen Unangepassten, warum wir es nicht mehr lustig fänden, als Emos betituliert zu werden und aus welchen Gründen das Töchti darauf so gereizt reagierte (ich nicht, ich stumpfes Schaf hatte ja im Karameleisrausch nix gehört). Es entspann sich eine nette Unterhaltung, als noch der zweite Unangepasste dazu kam. Beide spielen in einer Metalband - so sahen die auch aus, Schublade auf, Schublade zu *kicher* - und haben ebenfalls mit Vorurteilen zu kämpfen (Drogen, ständig besoffen randalieren etc.). Man trennte sich in bestem Einvernehmen.
Wenn sie uns das nächste Mal treffen, dann rufen sie uns hoffentlich "Gruftiiiiii!" nach und wir werden ganz facebooklike die Daumen in die Höhe recken und erfreut Beifall klatschen. :D

Abgesehen von diesen netten, umgänglichen Zeitgenossen gibt es auch etliche fiese Möppe. Manche können einen doch hin und wieder verzweifeln lassen. Es gibt da z.B. den Neider, der alles, was nicht Schema F folgt, voller Eifersucht und Mißgunst betrachtet und es niemals zugeben würde, daß er's eigentlich cool findet, wie wir Schwarzkittel herumlaufen. Im Grund brächte er gern selbst den Mut auf, sich von dem Einheitsbrei der markengeilen Masse abzuheben und sein eigenes Ding durchzuziehen. Diesen Typen findet man meiner Erfahrung nach eher in der Altersklasse meiner Tochter. Und der ist besonders unangenehm. Das Dilemma, nicht den Anschluß an die Gemeinschaft verlieren zu wollen, indem man mit den "Opfern" sympathisiert, und die gleichzeitige heimliche Bewunderung jener Außenseiter, macht den Neider ziemlich bösartig und bissig. Er guckt sich an, was der Grufti so macht und tut und lästert mit seiner Clique darüber in höchsten Tönen ab, damit nur ja nicht der Verdacht aufkommt, daß ihm der Style und das Auftreten des Gruftis vielleicht doch gefallen könnte. Hat man sich das Maul ausreichend zerrissen und ein neues Lästerobjekt gefunden, über das man herziehen kann, beginnt der Neider mehr oder weniger klammheimlich damit, ihn nachzuäffen.
So hat sich das Töchti in den Sommerferien einen Sidecut schneiden lassen, was von ihren Schulkameraden höchst unterschiedlich aufgenommen wurde. Es gab einige, die fanden den neuen Haarschnitt cool, andere unkten herum und schüttelten, damit es Töchti auch nur ja bemerkte, ihren Kopf über diese merkwürdige Haartracht. Komischerweise kamen genau DIE zwei Wochen später mit 'nem Sidecut um die Ecke *grins*

Eine etwas nervige, aber nicht ganz so garstige Abart des Neiders ist der Bekenner, der sich ab und an traut zuzugeben, daß er den Gruftkrams doch ganz stylish findet. Deshalb überlegt er, auch Gossick zu werden. Quasi als Fashionstatement. Der Typ kann einem gehörig auf den Keks gehen, löchert er einen doch mit launigen Ankündigungen wie "In drei Wochen bin ich auch Gossick" oder Fragen wie "Wie werde ich Gossick?  Was muß ich da machen?". Töchti reagiert mittlerweile, als würde man sie in Kisuaheli oder Hethitisch ansprechen, und mit völligem Unverständnis: "Keine Ahnung, dazu kann ich dir nichts sagen, mit Gossicks hab' ich nix zu tun!" Der Bekenner reißt die himmelblau umrandeten Augen auf und zupft sich an den gebleichten und rosa gefärbten Haaren: "Aba...aba... du trägst doch auch schwarz! Ist das von Hollister?" *seufz* Wir empfehlen die Anleitung "Wie werde ich Gossick in zehn Tagen?" von schwarzbratz.com :P

Joa, da haben wir dann noch die Verständnislosen. Die gibt es in jedem Alter. Und die reagieren unterschiedlich - von ängstlich bis angeekelt ist alles dabei. Die Ängstlichen wechseln auch schon mal die Straßenseite, wenn ich mit klirrenden Pikes und bodenlangem Mantel angerauscht komme, oder setzen sich im Bus auf gar keinen Fall neben mich, auch wenn alle anderen Plätze besetzt sind und sie während der Fahrt stehen müssen.
Der neugierige Verständnislose der Unterart "Rheinische Frohnatur" begegnet dem Grufti mit einer gewissen Jovialität und quatscht ihn gern an: "Och, dat is' ävver traurisch, wie du erömläufs'. Wer is' denn jestorb'n?" Es ist dann doch sehr interessant zu beobachten, wie die Mimik der Rheinischen Frohnatur wechselt, wenn man ihn todernst anblickt und mit Grabesstimme antwortet: "Noch niemand..."  
Auch die Bekehrer gehören im Grunde zu den Verständnislosen. Meine Tante ist der Prototyp davon. Ständig bemüht, mich zu fröhlicheren Farben zu bekehren, weil mir das düstere Schwarz doch nicht stehen würde, beschenkte sie mich während meiner Teeniezeit mit pastellfarbenen Kleidungsstücken, die ihrer Meinung nach modisch waren. Bloß nicht auffallen, so lautet das Credo der Bekehrer und dafür, daß sich dem auch nur ja alle anschließen, bringen sie oft erstaunliche Energien auf. 
Die meisten Verständnislosen bleiben jedoch stumm, nur wenige pöbeln herum. Interessanterweise sind es nicht nur halbstarke Teenies, die einem "Satan!" o.ä. hinterherrufen. Nein, es gibt tatsächlich auch Erwachsene, die sich zu diesem dämlichen Verhalten hinreißen lassen. So latschte neulich ein Mittzwanziger (geschätzt), wahrscheinlich aus Nordafrika (dem arab. Dialekt nach zu urteilen, den er in sein Handy bölkte), an mir vorbei, musterte mich und knallte mir "Verdammte Emobitch!" an den Kopf. Ich konterte mit "Schmarotzender Asylant!", worauf er sich entsetzte, er sei kein Asylant und lalala und überhaupt. Ich lächelte ihn liebreizend an: "Siehste, und ich kein Emo!" Ob er die Message verstanden hat, k.A. Normalerweise ignoriere ich ja derlei Gelaber, aber an diesem Tag war ich irgendwie auf Krawall gebürstet *gesteht*

Zu guter Letzt möchte ich dann noch den Stalker vorstellen. Der Stalker ist ein sehr seltenes Exemplar. Er sagt nichts, sondern schaut allenfalls verwundert, aber verfolgt einen auf Schritt und Tritt, um sich einen möglichst genauen Eindruck vom Grufti zu machen. Wozu auch immer.
Der Stalker achtet nicht auf seine Umgebung, während er den Grufti scannt. Sein Blick wandert abwärts von der siouxsieesken Haarpracht des Gruftis über dessen Kleidung und Accessoires bis hin zu den mehrschnalligen Pikes. Die begutachtet er besonders intensiv. Seltsames Schuhwerk. Und es gibt Töne von sich, die der Stalker vermutlich als Lockruf auffasst. Anders ist es nicht zu erklären, daß er dem Grufti wie ein Hündchen folgt. So ging es mir im Herbst letzten Jahres, als ich von der Arbeit nach Hause ging. Klirrschepperklimper - mit Sechsschnallern lautlos anschleichen ist vergebene Liebesmüh - und schwupps, da hatte ich einen Stalker an den Fersen kleben. Der glotzte die ganze Zeit nach unten auf meine Pikes und lief mir stur hinterher. Ich beschleunigte meine Schritte, der Stalker wurde ebenfalls schneller. Er holte ein wenig auf, daß er mich fast erreichte, und neigte den Kopf noch ein wenig mehr, um eine bessere Sicht auf meine Pikes zu erlangen. Dabei entging ihm wohl der hinterlistige Laternenpfahl, der ihm plötzlich in den Weg sprang. Der Crash war unausweichlich. 
Es klongte, der Stalker fluchte, der Grufti kicherte. Ein kurzer Blick auf den lästigen Verfolger, der sich den Schädel rieb - er sah nicht so aus, als würde er Erste Hilfe benötigen - und der Grufti setzte seinen Weg fort - ohne den Stalker, der beschämt wendete und in die Richtung verschwand, aus der er gekommen war...

Gibt's noch irgendwelche Schubladen in meiner Stino-Kommode, die ich vergessen habe und die ihr gern hinzufügen würdet? Wenn ja, würde ich mich über entsprechende Kommentare freuen :)

Dienstag, 2. September 2014

Pikes: Garibaldi von Boots & Braces

Ein neues Paar Pikes befindet sich seit dem Amphi in meiner übersichtlichen Sammlung von mehr oder weniger spitzem Schuhwerk. In dem Fall wohl eher weniger. Diese Stiefeletten als Pikes (pike = Spitze) zu bezeichnen, ist wohl ziemlich gewagt. Eigentlich handelt es sich dabei eher um Rounds *GG* 

Nun ja, die Schuhe gefielen mir eigentlich doch und in Ermangelung des Angebots an richtig spitzen Pikes (so was wie weiße Schimmel) nimmt Grufti eben, was er kriegen kann. So beschenkte ich mich an meinem Geburtstag mit dem Garibaldis von Boots & Braces England, die ich am Stand vom Darkstore (Berlin) erstand. Ich weiß nicht mehr genau, was ich dafür bezahlt habe (nicht den Preis auf dem Schuhkarton), aber die Teile dürften um die 120 Euro kosten. Bei Ebay habe ich sie auch schon gesehen.



Es handelt sich dabei um ein qualitativ recht gut verarbeitetes Paar "Winkelpiker" (höhöhöhö) made in Portugal aus schwarzem Veloursleder und einem Futter aus einer eine Art Glattleder (aber echtes Leder, kein Plastik laut Klebeschildchen). Die Ferse ist verstärkt. Ja, autsch und das ziemlich scharfkantig, daß man sich bei längerem Tragen auch nur ja mindestens eine Blase läuft. Ich habe Schuhgröße 42 genommen, die mir sogar ein bißchen zu groß ist. Aber mit zwei Paar Socken passen sie hervorragend und auch die Blasengefahr wird minimiert. Die Sohle ist im Vergleich zu meinen geliebten, auch unspitzen 6-Schnallern von Headrazor (Hersteller wahrscheinlich Retroshu) dünner, dafür aber wesentlich unflexibler, was den Tragekomfort etwas mindert. Die Schuhe besitzen außerdem einen 2,3 cm hohen Absatz.



Der Knaller sind aber die drei verstellbaren Riesenschnallen an breiten Lederriemen, die mit Klettverschlüssen versehen sind. Genau das Richtige für Uraltgruftis, die keine Geduld und zu große Rückenbeschwerden haben, um die zwölf Schnallen ihrer Standardpikes zuzutüdeln. Sie besitzen keinen Reißverschluß, sondern nur je eine Zunge und diese drei Riemen mit Klett, um sie zu schließen! Hinten am Spann sind drei kleine Totenschädel angebracht - ein ganz putziges Detail, wie ich finde.



Ich bereue den Kauf nicht, auch wenn es ziemlich schmerzhaft war, die Schuhe einzulaufen und sie nicht so bequem sind wie die bereits erwähnten 6-Schnaller. Zwar habe ich nicht das passende Freibeuteroutfit dafür im Schrank, aber so ein bißchen fühle ich mich darin wie der schwarze Korsar oder zumindest der grausame Pirat Roberts. Wenn euch das nichts sagt, schaut euch "Die Braut des Prinzen" an ;)


Von li nach re: B&B, Headrazor (Retroshu?), Nevermind, 80er Jahre

Ich habe die Garibaldis - wieso auch immer sie nach einem italienischen Condottiero benannt wurden - bereits mehrfach getragen. Als gruftige Schuhe für den Alltag taugen sie allemal. Auch wenn sie nicht spitz genug sind...

Donnerstag, 14. August 2014

Alter Friedhof Bonn

"Der Alte Friedhof zählt zu den bedeutendsten Friedhöfen Deutschlands. Nicht nur Grabstätten zeitgeschichtlich interessanter Persönlichkeiten wie Ernst Moritz Arndt sowie Clara und Robert Schumann faszinieren. Seine gartenarchitektonische Gestaltung dokumentiert zudem die facettenreiche Geschichte der Sepulkralkultur."
Quelle: HP der Stadt Bonn 

Es ist kaum zu glauben, daß sich diese Oase der Stille und Ruhe am Rande der Bonner Innenstadt befindet; in der Nähe des Stadthauses von Hauptverkehrsstraßen umgeben liegt der Alte Friedhof schräg gegenüber vom BLA (Bonner Lärm-Anstalt), dem ehemaligen Treffpunkt von Punks und Gruftis in den 80ern, bevor die Stinos die Macht dort übernahmen.
Nur selten verirren sich Touristen außerhalb der regelmäßig stattfindenden Führungen dorthin, meistens trifft man nur auf Friedhofsgärtner oder eine Handvoll Junkies, die in Ruhe auf einer Parkbank einen Joint kreisen lassen.


Tritt man durch das schmiedeeiserne Tor, fühlt man sich, als habe man eine andere Welt betreten. Die Atmosphäre dieses Ortes nimmt den Besucher sofort gefangen. Der Straßenlärm tritt in den Hintergrund, das dumpfe Brummen der Motoren und das Quietschen der Fahrradklingeln dringen kaum noch an mein Ohr. Der Kies auf den Wegen knirscht bei jedem Schritt unter meinen Pikes, das Rauschen des Windes in den Kronen der riesigen Bäume und das Zirpen der Vögel verdrängen die störende Geräuschkulisse von draußen. Ein Eichhörnchen turnt an einem Ast über unseren Köpfen herum und guckt neugierig zu uns hinunter, ein Schmetterling flattert vorbei. Riesige Pilze wachsen an einem modrigen Baumstamm - Leben und Tod liegen so nah beieinander in diesem einzigartigen Biotop. 


Der Alte Friedhof wurde 1715 gegründet. Seit 1884 werden dort keine neuen Gräber mehr angelegt, aber auch heute noch werden prominente oder wohlhabende Bonner in bereits bestehenden Familiengräbern bestattet.
Manche Grabstätten sind verfallen, manche werden liebevoll gepflegt. Viele Grabmäler geben genau Auskunft über die Familienverhältnisse der dort ruhenden Toten, über ihren Beruf und ihre Vorlieben, denen sie zu Lebzeiten fröhnten. Viele bedeutsame Bonner Bürger, Wissenschaftler und Gelehrte, nach denen Straßen und Plätze benannt worden sind, sind hier beerdigt worden. Auf dem Plan, den die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Alten Friedhofs e.V. auf ihrer Homepage zur Verfügung stellt, kann man sich ansehen, wo sich welches Grab befindet: Plan - Alter Friedhof Bonn

Genug der Worte, ich lasse lieber Bilder sprechen...

Das Grab von Maria Magdalena van Beethoven





Herr Noeggerath schaut ein wenig mißmutig drein



 Das Grab von Robert und Clara Schumann




Sonntag, 3. August 2014

Amphi 2014 - Reflektionen eines 80er Jahre Relikts

Die Euphorie, die der erste Tag auf dem Amphi hervorgerufen hatte, hatte sich am Sonntagmorgen etwas gelegt und während das Kreppeisen aufheizte und auf seinen Einsatz wartete, reflektierte man die gestrigen Erlebnisse. 
Einiges fand ich 80er Jahre Relikt, da ich nun über den rostigen Gitterzaun des heimischen Friedhofs blickte, sehr befremdlich. Die Szene, die ich in Erinnerung habe, hat sich doch sehr verändert, zumindest optisch.
Einige Besucher trugen kunstvolle Verkleidungen und aufwendige Kostüme, als seien sie einem Fantasyfilm entsprungen oder hätten sich auf dem Weg zum nächsten LARP verlaufen. Andere schmückten ihr Haupt mit in Streifen geschnittenen Mülltüten, Absperrbändern und Gartenschläuchen und waren wie schrille Paradiesvögel oder Sahnetörtchen in Weiß und Pink oder sonstwie bunt gewandet. Äääääh...schwarze Szene? Schwarz? Diese dunkle Unfarbe?

Liebe Piratenbräute, Steampunks, Cybers und andere Farbfetischisten, nein, ich habe wirklich nichts gegen euch, ich kenne keinen von euch persönlich, aber habt Erbarmen mit einer alten Tucke wie mir, die euer Styling einfach merkwürdig findet. So unschwarz und ungruftig. Und ein Cybergothpunkwhatever (wie nun genau bezeichnet ihr euch?) erinnert mich irgendwie an das, was 'rauskommen könnte, wenn man einen Predator und einen Tribble kreuzt und mit Neonfarbe besprüht. Ihr seid mir einfach fremd - jedenfalls euer Outfit.
Naja, vielleicht sind ja die Seelen dieser Quietschbunten so tiefpechrabenschwarz, daß sie das Äußere wieder ausgleichen? Interessieren würde es mich ja schon, ob sich diese Leute, die sich so auffällig kleiden, zur schwarzen Szene zugehörig fühlen und wenn ja, wo sie die Gemeinsamkeiten zu den Friedhofsgängern, wie ich einer bin, sehen. Falls es die überhaupt gibt, die Gemeinsamkeiten...
Mir ist schon klar, daß die Szene nicht mehr so übersichtlich und homogen ist wie vor einem guten Vierteljahrhundert.

"Ok", erklärte ich dem Töchti, das diese Buntis ebenfalls merkwürdig fand, "wenn sich die Leute in diesen Outfits so gefallen, sollen sie die doch tragen. Wie wir herumlaufen, ist auch nicht jedermanns Sache." Es gab da einen Zwischenfall auf dem Amphi, da jemandem meine Pikes auffielen und er sich darüber wunderte, da er schon lange keine mehr gesehen hätte. Er musterte mich von Kopf bis Fuß und stellte fest, daß ich wohl ein richtiger old school Grufti wäre (ich fühlte mich da doch geschmeichelt, in die Schublade gesteckt zu werden, in der ich mich am wohlsten fühle). Und dann kam's...
"Das ist doch total out", sagte er. Grrrrrrrr!!!!!!!!
Ich unterdrückte den ersten Reflex, ihm freundlich eins hinter die Löffel zu geben  - die schwarze Szene ist ja so friedliebend, jawoll! - und erwiderte ruhig, daß er ja wohl nicht uptodate sei, die 80er wieder schwer im Kommen und Pikes ohnehin nie out gewesen seien. Dann gingen wir. 
Diese Bemerkung, die ich, um es mal klarzustellen, nicht als Verunglimpfung - höchstens im allerersten Moment - oder Kritik empfand, war wohl eher ironisch gemeint, kam sie doch von jemandem, der in den 80ern bestimmt älter war als ich und auch keine hippen Gartenschläuche auf dem Kopf oder Cupcaketäschchen am Gürtel trug.

Der Großteil der Besucher jedoch war den Temperaturen angemessen und völlig normal schwarz *hüstel* gekleidet. Ins Auge stachen mir dann doch wieder ein paar Typen, die Uniform trugen. Wohlgemerkt, ich meine jetzt keine Mädels, die aussehen wie freundliche PanAm-Stewardessen oder Typen, die einen auf Top Gun in Schwarz machen, sondern die, die richtige Uniformen tragen (wenn ich mich nicht irre, lief u.a. einer in NVA-Klamotte herum) oder solche, die an die gewisser Organisationen aus der Zeit zwischen 1933 - 45 erinnern und die in Deutschland schlicht und einfach verboten sind. Und nein, es reicht eben nicht, nur die Hakenkreuze wegzulassen, Abatz 2 von § 86a StGB zum "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" lautet: "Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind." Dazu gehören auch die Uniformen der HJ, SS, Waffen-SS oder SA. 

Da mein Gatte reenactet und ich weiß, welch sensibles Thema diese Uniformgeschichte ist und wie man damit in der Reenactment- bzw. WK2szene verfährt, erstaunt, ja erschreckt es mich um so mehr, wie lax mit dieser Problematik in der schwarzen Szene umgegangen wird. 
 Von "Wir sind ja so tolerant" *lalalala* über vollkommenes Unwissen, was die entsprechende Rechtslage in Deutschland angeht, bis hin zu "Wenn hier jetzt schon, in unserer scene, über den klamottenstil gestritten wird, dann ist es so weit. klar, auch ich sehe einige in "uniformen" die asotiationen wecken könnten, aber bisher dachte ich, das geschieht meist, bei dem "normalen" teil der bevölkerung." (Zitat aus einem der Threads von der FB-Seite des Amphifestivals, wo dieses Problem zur Sprache kam. Die Fehler sind nicht von mir *GG*) findet man beinahe alles an Ist-mir-egal-Attitüden.
HALLOHOOOOO? Geht's noch? Sagt mal, tickt ihr noch ganz sauber? Oder hat euch das Dogma der szenetypischen Friedfertigkeit und Toleranz schon das Hirn zu sehr aufgeweicht, daß ihr alles widerspruchslos hinnehmt? Kopf -> Tisch
Nein, ich möchte keinem Typen in HJ-Klamotte auf einem schwarzen Festival über den Weg laufen, keinem Pulk in SS-Uniformen oder Outfits, die daran erinnern! Leuten, die solche Klamotten tragen, unterstelle ich auch eine solche Gesinnung oder zumindest eine gewisse Nähe zum rechten Rand unserer Gesellschaft. Provokation ist schön und gut oder der Wunsch, Finsternis und Untergang darzustellen. Aber das kann man mit ein wenig Kreativität auch anders. 
Dieser Weg ist m.E. kein geeigneter, da er eine eindeutige politische Haltung zum Ausdruck bringt. Und war die schwarze Szene eigentlich nicht immer unpolitisch?
Nicht das schwarze Individuum an sich, aber die Szene im Großen und Ganzen folgte doch nie einer bestimmten Richtung und ordnete sich einer politischen Organisation unter, weder äußerlich noch ideell.  Ist das jetzt anders - zumindest bei einem Teil der Szene?

Meine Schmerzgrenze (und wohl nicht nur meine, wie etliche Posts auf FB belegen) ist jedenfalls bei weitem überschritten worden...
Ich kriege Magendrücken bei diesem Anblick und das nicht nur, weil ich mich daran erinnert fühle, daß die Rechten früher (also in meiner Jugend) gerne loszogen, um "ein paar Schwarze zu klatschen" und auch mal krankenhausreif schlugen. 
Ich empfinde es als eine ausgesprochene Verunglimpfung und Verhöhnung der Opfer dieser Epochen der deutschen Geschichte - sowohl die Zeit des Dritten Reichs als auch die der DDR -, wenn diese Uniformen als Kostüm von solchen Spaßvögeln getragen werden, denen die nötige Sensibilität fehlt, um zu erkennen, welch menschenfeindliche Haltung sie damit zum Ausdruck bringen. 

Ohnehin finde ich es seltsam, daß Uniformen oder Uniformteile zu Stylingelementen in der schwarzen Szene geworden sind. Uniform ist doch etwas, was wir nie sein und nie tragen wollten, oder?
Paradox...

Glücklicherweise konnte man diese Typen aber an einer Hand abzählen.
Kurioserweise und möglicherweise, weil die Security aufgrund einer ungenauen Anweisung von oben nach Gutdünken entscheiden konnte, was als bedrohlich, Waffe oder Waffenattrappe galt, wurde diesen Typen Zutritt zum Festivalgelände gewährt. Bei manchen WK2-Reenactments ist es hingegen schon vorgekommen, daß die Polizei nach dem Rechten (oder vielmehr den Rechten) gesehen hat oder der Veranstalter Besucher in entsprechender Klamotte vom Veranstaltungsgelände entfernen ließ, da die anderen Teilnehmer mit Personen, die eine derartige Gesinnung zur Schau trugen, nicht in einen Topf oder gar zusammen fotografiert werden mochten.

Friedliche Gruftis mit Nietenhalsbändern - damit könne man jemanden ja ein Auge ausstechen - mussten jedoch draußen bleiben, obwohl man eben solchen Schmuck auf dem Amphi käuflich erwerben konnte.
Muß man nicht verstehen...
Demnächst bleiben dann auch die Cybers draußen, die ja mit ihren Plastikschläuchen jemanden erwürgen könnten. Und Killernieten, KILLERnieten stellen ja schon aufgrund ihres Namens eine Gefahr für Leib und Leben dar...
Wahrscheinlich sind die Pikes heutzutage deshalb auch nicht mehr so spitz wie früher. Man könnte damit ja jemandem ein Loch ins Schienbein treten...  

Jetzt habe ich mich so lang und breit über diese wenigen negativen Momente auf dem Amphi ausgelassen, daß man beinahe glauben könnte, mir hätte das Festival überhaupt nicht gefallen. Hat es aber! Sogar sehr!
So sehr, daß ich meinen Geburtstag nächstes Jahr wieder dort feiern werde.
Ja, auch 2015 findet das Amphi genau dann statt :D 

Die vielen positiven Eindrücke überwiegen einfach und deshalb sehen wir uns in einem Jahr in Köln wieder...
Und bitte ladet doch auch She past away nochmals ein! 

Freitag, 1. August 2014

Amphi 2014 - Tag 2

Den Sonntagmorgen gingen wir geruhsamer an.
Unsere Lieblingsbands hatten samstags gespielt, heute wollten wir uns ins Theater setzen und Lesungen und Vorträgen lauschen, noch ein paar Bekannte treffen, etwas shoppen gehen und...mal sehen...

Wir gelangten rasch und ohne Probleme auf das Festivalgelände. Die Taschenkontrolle am Eingang verlief zügig und so früh am Morgen war die Security noch nicht überarbeitet und gut gelaunt. Auch unsere Flasche Haarlack und der Toupierkamm dürften wieder passieren. Ich mein', welcher anständige Grufti verläßt schon ohne Haarlack das Haus? ;)
Kaum auf dem Festivalgelände wurde die 0,5 l-Colaflasche, die wir am Tag zuvor für unglaubliche 5 Euro (inkl. 50 Cent Pfand) erstanden hatten, an einem der Trinkwasserbrunnen aufgefüllt. Glücklicherweise hatte der Veranstalter drei Wasserzapfanlagen zur Verfügung gestellt (worauf der Moderator immer wieder hinwies und die Leute aufforderte, ausreichend zu trinken), sonst wäre wahrscheinlich mindestens die Hälfte der Besucher mit Kreislaufkollaps wg. Flüssigkeitsmangels zusammengebrochen. Denn die Preise der GAstronomie waren so astronomisch hoch - steckt ja schon im Begriff selbst -, daß wohl manch einer eher verdurstet wäre, als genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Und bei den sommerlichen Temperaturen geht das schnell...


Schade, daß sich da der Inhaber des Tanzbrunnens, der sich wohl für die Gastronomie verantwortlich zeichnet, so querstellt und die Preise so hoch ansetzt. Denn nicht nur wir hätten mehr verzehrt, wären Getränke und Speisen günstiger gewesen. Die Pizza Margherita von der Größe einer kleinen Frisbeescheibe für 5,50 Euro und die schmeckte wie eine labberige Qualle, machte immerhin satt. Ein kulinarisches Highlight war sie nicht. Das darf man bei einem solchen Massenevent auch nicht erwarten
Aber der Tanzbrunnen liegt ja glücklicherweise nur ca. 10 Minuten Fußweg von einer Mäckesfiliale im Deutzer Bahnhof entfernt...

Wie dem auch sei, wir standen kurz vor 12 Uhr mit wohlgefüllter Wasserflasche vor dem Theater, in das wir wenig später eingelassen wurden.
Als erstes hörten wir eine Lesung von Ecki Stieg, der aus verschiedenen seiner Essays vortrug. Besonders sympathisch fand ich, daß er sich selbst über seine Schriebse kaputtlachte und kichernd gestand, er habe das Zeug selbst seit ewigen Zeiten nicht mehr gelesen, aber stünde immer noch dahinter.
Aus "I am the DJ" (unter diesem Link ist der entsprechende Aufsatz zu finden) gab es mehrere Auszüge. Als er die verschiedenen Typen charakterisierte, die in einem Szeneclub abhängen, kam er auch zum "80er Jahre Relikt": "Ist entweder in dieser Phase groß geworden oder geschmacklich darin hängen geblieben. (...) Ist noch nostalgischer und lamentierender als der alte Goth-Sack und versucht im Gegensatz zu diesem, dem optischen Stil der 80er zu entsprechen." 
Und das Töchti kreischte entzückt los: "Mama, der redet von dir!"
Ich versank in meinem Stuhl. Um mich herum kicherte es und mitfühlende Blicke Gleichaltriger trafen mich. Ich war nicht allein. Puuuuuh *erleichtertdurchatmet*

Irgendwann war dann auch der "alte Goth-Sack" an der Reihe, dem ich - auch musikalisch - viel näher stehe als dem "80er Jahre Relikt": "...ist Neuem gegenüber aufgeschlossen, freut sich aber dennoch, wenn sein Lieblingsstück kommt, das gemeinhin von The Cure, Bauhaus oder Joy Division stammt." Zum tanzen bin ich allerdings nicht zu träge und zu fett, das will ich nur mal klarstellen! 
Es war unheimlich, wie genau Ecki Stieg benennen konnte, welche Musik ich daheim so dudele. Und er wußte sogar, daß ich Ramones höre...

Danach folgte die Lesung von Markus Heitz. Nun gut, wirklich neugierig gemacht hat mich ehrlich gesagt keiner der "Kinotrailer" (so betitelte der Autor selbst die Exzerpte aus seinen Werken), die er da zum Besten gab. Aber vielleicht gucke ich mal in seine Bücher, sofern mir mal eins über den Weg läuft (wahrscheinlich findet man die im Bonner Comicladen). Der Vortrag war jedoch ein recht vergnüglicher und kurzweiliger, aber dann kam der Knaller des Tages: der Tod!

Den Tod muß man live (üb-)erleben. Zwar findet man auch Videos und Sketche im Internet, aber live ist er der Brüller schlechthin. Ich verweise hier auf seine Homepage endlich-tod.de, die er nach eigenen Worten einem Emo abgehandelt hat. Es sei für beide eine Win-win-Situation gewesen, erklärte er.
Der Tod befindet sich zur Zeit auf einer Imagekampagne durch Deutschland, da Sterben bei uns einen so schlechten Ruf besitzt. Dabei sind Radieschen von unten betrachtet eigentlich ganz harmlos.

Töchti und ich ganz erschlagen von der Hitze

Nach ca. drei Stunden verließen wir das Theater (mit Klimaanlage und sie lief sogar!) und bummelten planlos herum. Dabei trafen wir auf ein paar Bekannte, die auf der Wiese hinter der Händlermeile lagerten, ließen uns dort auch im Schatten nieder und quatschten ein bißchen. Ganz spontan beschlossen wir, uns um 17 Uhr im Staatenhaus Roter Sand anzusehen und obwohl die ja eigentlich nicht meine Mucke spielen, gefielen sie mir überraschenderweise sehr. Es passierte eben das, was immer geschieht, reißt einen die Atmosphäre und die Musik mit: irgendwann fängt man an zu tanzen und mitzuklatschen und am Ende ist man pitschnaß :D



Danach brauchten wir dringend etwas zu trinken. Die Akkustik im Staatenhaus ließ etwas zu wünschen übrig und die Lautstärke und vor allen die Bässe ließen unsere Ohren klingeln. Die Luft kochte. Also nichts wie raus da, als das Konzert vorbei war, und ab zum Trinkwasserbrunnen, wo erst einmal die beim Tanzen verlorene Flüssigkeit wieder aufgefüllt wurde. Die erschien im Nullkommanichts wieder auf der Hautoberfläche, die Klamotten klebten schweißgetränkt an mir, der gekreppte Wuschelkopf hatte schon arg gelitten, aber mein Deo hielt und ich fühlte mich einfach nur großartig!


Da das Töchti noch vorhatte, die letzten Reste seiner Amphikohle 'rauszuhauen, marschierten wir wieder zur Händlermeile. Irgendwann blieben wir bei Apoptygma Berzerk, die auf der Mainstage spielten, kleben. Fand das Kind nicht so berauschend, Muttern dafür um so mehr, als sie Major Tom spielten und die ganzen alten Goth-Säcke "Völlig losgehelöst von der Erde schwebt das Rauhaumschiff..." gröhlten und man sich wieder wie 13 fühlen konnte. Die Jüngeren blickten zwar etwas verstört um sich, aber das juckte keinen :D

Hier mal die Version von Peter Schilling:


Da Töchti ein immer längeres Gesicht machte, auch weil sie Kopfweh bekam, suchten wir uns ein ruhigeres Plätzchen, kauften uns noch etwas zu trinken (ja, diesmal hatte ich meine Rheumatabletten dabei und auch welche genommen, daß der Amphisonntag wesentlich schmerzfreier für mich ablief) und liefen noch etwas herum. Dabei trafen wir dann endlich auf zwei Bekannte, mit denen man bislang nur via Facebook Kontakt hatte, die jedoch, wie wir auch, schon beschlossen hatten, aufzubrechen. Hinzu gesellten sich noch zwei junge Gruftis aus Berlin, die sich vollkommen old school stylen. Die beiden Süßen machten alles wieder wett, was mir negativ auf dem Amphi aufgefallen war (dazu später). Sie waren superlieb und nett und sahen einfach nur toll aus! Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich das Foto, das ich von den beiden geschossen habe, hier veröffentliche. Da aber zahlreiche Bilder von den beiden in div. Amphigalerien existieren, geht es wohl klar, denke ich.


Das Treffen war wie gesagt kurz, aber dafür um so herzlicher und lustiger. Es ist eben einfach toll (auch wenn ich mich jetzt wiederhole), die Leute, die man aus dem www kennt, live zu erleben und festzustellen, daß man sich sympathisch ist. Gleichgesinnte zu treffen - und das haben wir auf dem Amphi definitiv! - ist unbezahlbar!

Fortsetzung folgt...