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Mittwoch, 10. Februar 2016

Gothic Friday: Wie bist du in die Szene gekommen?

Im Rahmen des Gothic Fridays – was das ist, könnt ihr HIER nachlesen - wurde auf spontis.de die Frage gestellt: „Wie bist du in die Szene gekommen?“
Um meinem Blog mal wieder ein wenig Leben einzuhauchen, möchte ich den GF Februar zum Anlaß nehmen, über meine Anfänge in der schwarzen Szene zu sinnieren und zu rekapitulieren, wie dort hineingeschlittert bin. Über das Wie und Warum habe ich mich eigentlich schon ausführlich in diesem Blog ausgelassen, daher stellt dieser Post eigentlich nur eine ultrakurze Zusammenfassung für den GF dar. Dazu habe ich einige Erinnerungssplitter zusammengetragen und mein jüngeres Ich befragt, an was es sich sonst noch so erinnern kann - abgesehen von den Erlebnissen, die man in älteren Posts hier nachlesen kann.

Eigentlich muß ich ziemlich weit in der Zeit zurückgehen. Nämlich in die 70er Jahre des letzten Jahrtausends, denn da fing alles an...

Einen gewissen Hang zu morbiden Themen und Friedhöfen hatte ich immer schon. Das war die Schuld von Tante Ella, die auf mich aufpasste, während meine Eltern zur Arbeit gingen. Tante Ella war Witwe und sie nahm mich regelmäßig zum Grab ihres verstorbenen Mannes mit. Friedhöfe fand ich spannend, vor allem, als Tante Ella mir erklärte, warum man die Toten dort beerdigte und was mit den bestatteten Körpern geschah. Kleine Kinder stellen die seltsamsten Fragen und wollen alles genau wissen. Da war ich keine Ausnahme. Und Tante Ella gab mir konkrete und ausführliche Antworten.
Die Vorstellung, daß Würmer an einer Leiche herumknabberten und sich der Tote langsam, aber sicher zersetzte, erfüllte mich mit wohligem Schauer. Aber was passierte, wenn man aus Versehen einen lebendigen Menschen beerdigte? Und was geschah überhaupt, wenn ein Mensch starb?
Ja, über solche Dinge sprachen Tante Ella und ich...

Wirklich losgelassen hat mich die Faszination für diese Thematik, für die Dunkelheit, die Nacht und all die Wesen, die diese bevölkern, nie. Im Grunde beschäftige ich mich seit meiner frühesten Kindheit damit: angefangen mit Spuk- und Gruselsammelbänden und Comics im zarten Grundschulalter, über klassische Vampirgeschichten, Romane von Stephen King, Horrorfilme (kein Splatter!) bis hin zu philosophisch-religiösen Fragen nach dem Leben nach dem Tod, nach dem Jenseits, nach Reinkarnation etc. Und irgendwie passte mein Berufswunsch – Ägyptologin - dort auch hinein.

Damit stand ich immer abseits. Ich war eben seltsam. Meine Mitschüler konnten nicht viel mit mir anfangen, hatte ich das Gefühl. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit: wir hatten nicht viel gemeinsam. Und die schwarze Kleidung kam irgendwann dazu, um sich noch deutlicher von den anderen abzuheben und ihnen zu signalisieren: Ich gehöre nicht zu euch und ich WILL auch gar nicht!

In der Oberstufe, als unser Jahrgang durch neue Mitschüler verstärkt wurde, traf ich auf einmal auf Leute, die die gleichen Vorlieben teilten, die gleichen Bücher lasen, die gleichen Filme guckten, die das Diktat der angesagten pastellfarbenen Markenklamotten ebenso gräßlich fanden wie ich und bei denen die Top Ten nur Brechreiz auslöste. Denn was waren die geschniegelten, aalglatten Jungs von Spandau Ballet gegen Robert Smith und The Cure? „A Forest“ war und ist seitdem und immer noch mein absoluter Lieblingssong, denn der Text gibt ziemlich genau wieder, wie ich mich Mitte der 80er fühlte.



Von Gruftis und Wavern hatte ich bis dato auch schon vernommen – Bravo sei Dank!
Irgendwie passte das zu mir. Die Klamotten, der Schmuck, die robertsmithoesken Haare und die Schuhe...besonders die Schuhe! Ich verliebte mich in ein Paar Pikes, auf das ich lange sparte. Diese Liebe hat bis heute angehalten und meine ersten Pikes dürften dank einiger Nachfolger mittlerweile in Rente gehen.

Goth(ic)s gab's damals noch nicht – jedenfalls nicht bei uns – und Schwarzkittel waren tatsächlich eine Art dunkler Punks, die noch nicht viel mit dem gemein hatten, was später in die Kategorie Gothic gestopft werden sollte.
Die ersten richtigen Schwarzen lernte ich kleiner Kaffgrufti dank meiner älteren Freundin Steffi kennen, die schon einen Führerschein besaß und mich mit ins Bla nahm. Dort hingen im Bonn der 80er Punks und Gruftis (manchmal auch Ökos) gemeinsam ab. Der deutlichste und offensichtlichste Unterschied zwischen beiden Gruppen lag in der Verwendung bzw. Abwesenheit von Farbe. Gruftis trugen ausschließlich schwarze, allenfalls weiße, manchmal auch dunkelrote oder violette Kleidungsstücke. Dieser bunte Exzess stellte jedoch schon fast einen Frevel dar und wurde hin und wieder mit einem verächtlichen „Pseudo!“ abgestraft. Jaja, Mr. Dunkelschwarz (ein Waver aus der Hauptschule, der sich für den einzig authentischen Schwarzkittel der Gegend hielt) hat mir das auch einmal an den Kopf geknallt, als ich einen dunkelvioletten Rock trug. Dabei hatte ich echte Pikes aus England und war deshalb viel truer als er, HA! :D

Und dann gab's da Albert...
Angeblich hieß er so. Er sah aus wie der jüngere Bruder von Robert Smith, war schon Anfang 20 (also schon richtig alt aus meiner damaligen Perspektive) und trug schwarze, enge Lederhosen, ein weißes, flatteriges Hemd, Pikes und Nietenarmbänder. Mit Sicherheit wusste er um seine Ähnlichkeit zum Cure-Boss, denn er schminkte und frisierte sich auch so.
Ich fand ihn toll, aber himmelte ihn immer nur aus der Ferne an, hatte er doch stets seine dunkle Anhängerschaft um sich geschart. Die waren aber alle nett und man konnte sich prima mit ihnen unterhalten und diskutieren. Man hatte ja auch jede Menge Gesprächsstoff, da man sich für die gleichen Dinge interessierte und offen war für Neues. Und dann war ich plötzlich mitten drin: unter freundlichen Leuten, die mich nicht für durchgeknallt hielten, die mich ernst nahmen, die meine Vorliebe für das Alte Ägypten toll und nicht bescheuert fanden und mich durch ihre Neugier und ihre Fragen, was mich besonders daran reizte, darin bestärkten, das zu tun, was mir am wichtigsten war (und immer noch ist): meiner Passion für die Ägyptologie zu folgen.

Es mag sich jetzt schmalzig oder abgedroschen anhören, aber rückblickend auf die damalige Zeit war die Akzeptanz und der Rückhalt, den diese Leute mir - ohne es zu wissen oder zu wollen – entgegenbrachten, sehr wichtig für mich. Ich dürfte ich sein mit allen Facetten. Und ich denke, das ist auch heute der Grund, wieso ich mich in der schwarzen Szene, trotzdem sie sich im Vergleich zu damals sehr gewandelt hat, immer noch zuhause fühle.

In dem Zusammenhang möchte ich auch auf den Dreiteiler "Hassu Haarlack dabei?" bzw. den Zweiteiler "Missionierungsversuche" verweisen, in dem ich einige Erinnerungen und auch, was das Schwarzsein für mich bedeutet, konkreter schildere.

Donnerstag, 14. August 2014

Alter Friedhof Bonn

"Der Alte Friedhof zählt zu den bedeutendsten Friedhöfen Deutschlands. Nicht nur Grabstätten zeitgeschichtlich interessanter Persönlichkeiten wie Ernst Moritz Arndt sowie Clara und Robert Schumann faszinieren. Seine gartenarchitektonische Gestaltung dokumentiert zudem die facettenreiche Geschichte der Sepulkralkultur."
Quelle: HP der Stadt Bonn 

Es ist kaum zu glauben, daß sich diese Oase der Stille und Ruhe am Rande der Bonner Innenstadt befindet; in der Nähe des Stadthauses von Hauptverkehrsstraßen umgeben liegt der Alte Friedhof schräg gegenüber vom BLA (Bonner Lärm-Anstalt), dem ehemaligen Treffpunkt von Punks und Gruftis in den 80ern, bevor die Stinos die Macht dort übernahmen.
Nur selten verirren sich Touristen außerhalb der regelmäßig stattfindenden Führungen dorthin, meistens trifft man nur auf Friedhofsgärtner oder eine Handvoll Junkies, die in Ruhe auf einer Parkbank einen Joint kreisen lassen.


Tritt man durch das schmiedeeiserne Tor, fühlt man sich, als habe man eine andere Welt betreten. Die Atmosphäre dieses Ortes nimmt den Besucher sofort gefangen. Der Straßenlärm tritt in den Hintergrund, das dumpfe Brummen der Motoren und das Quietschen der Fahrradklingeln dringen kaum noch an mein Ohr. Der Kies auf den Wegen knirscht bei jedem Schritt unter meinen Pikes, das Rauschen des Windes in den Kronen der riesigen Bäume und das Zirpen der Vögel verdrängen die störende Geräuschkulisse von draußen. Ein Eichhörnchen turnt an einem Ast über unseren Köpfen herum und guckt neugierig zu uns hinunter, ein Schmetterling flattert vorbei. Riesige Pilze wachsen an einem modrigen Baumstamm - Leben und Tod liegen so nah beieinander in diesem einzigartigen Biotop. 


Der Alte Friedhof wurde 1715 gegründet. Seit 1884 werden dort keine neuen Gräber mehr angelegt, aber auch heute noch werden prominente oder wohlhabende Bonner in bereits bestehenden Familiengräbern bestattet.
Manche Grabstätten sind verfallen, manche werden liebevoll gepflegt. Viele Grabmäler geben genau Auskunft über die Familienverhältnisse der dort ruhenden Toten, über ihren Beruf und ihre Vorlieben, denen sie zu Lebzeiten fröhnten. Viele bedeutsame Bonner Bürger, Wissenschaftler und Gelehrte, nach denen Straßen und Plätze benannt worden sind, sind hier beerdigt worden. Auf dem Plan, den die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Alten Friedhofs e.V. auf ihrer Homepage zur Verfügung stellt, kann man sich ansehen, wo sich welches Grab befindet: Plan - Alter Friedhof Bonn

Genug der Worte, ich lasse lieber Bilder sprechen...

Das Grab von Maria Magdalena van Beethoven





Herr Noeggerath schaut ein wenig mißmutig drein



 Das Grab von Robert und Clara Schumann




Dienstag, 29. Juli 2014

Schwarzes Gesplitter

Ja, ich lebe noch!
Auch wenn ich mich in der letzten Zeit gar nicht gerüppelt habe...
Aber dafür habe ich ein paar Ausreden parat.

Zunächst war da einmal wieder ein recht erschreckendes Gespräch mit der Direktorin und der Klassenlehrerin unseres Sohn bezüglich seiner Kleidung. Er trägt gerne schwarze Yakuza-Shirts mit mehr oder weniger martialischen Motiven und kernigen Sprüchen (jedoch keine Symbole oder Parolen rechter oder gar verbotener Organisationen o.ä.! Das käme uns eh nicht ins Haus!). Die sind wohl einer Mitschülerin ein Dorn im Auge gewesen und so hat sie sich bei der Klassenlehrerin beschwert, sie könne sich nicht konzentrieren, wenn sie andauernd auf Sohnemanns T-Shirt gucken müsse. Aaaaah ja....
Ich denke ja, das Mädel sollte besser auf die Tafel schauen und den weisen Worten ihrer Lehrer lauschen anstatt das Styling ihrer Klassenkameraden unter die Lupe zu nehmen. Aber aus irgendeinem Grund, den ich nicht wirklich nachvollziehen kann, pflichtet die Lehrerin der selbsternannten Modepolizistin bei. 

Einem kurzen Schriftverkehr mit den eigensinnigen Eltern unseres Sohnes folgte die Einladung zu einem persönlichen Gespräch...mal wieder!
Fazit: Yakuza-Shirts sind in der Schule verboten, weil...
1. ...sie den Unterricht stören. Sie reden zwar nicht dazwischen, die Shirts, werfen auch nicht mit Papierkügelchen und ziehen die Mädchen an den blondierten, geglätteisten Haaren, aber sie stören - ganz plötzlich. Denn mein Sohn läuft damit schon seit zwei Jahren herum und auf einmal fallen die Yakuzas auf. Wenn ich nur wüsste, wieso...
2. ...sich die Klassenlehrerin durch die Shirts beleidigt sieht. Warum auch immer sie sich von den Yakuzas angesprochen fühlt... Es steht weder ihr Name drauf - Frau D., fuck off! z.B. - noch hat es ihr Konterfei bislang auf eines der Shirts geschafft. Wenn, würden wir es ohnehin nicht kaufen ;)
3. ...sich die Direktorin verpflichtet fühlt, auf das Styling ihrer Schüler zu achten und sie in Selbstvorwürfen zerfließen würde, wenn das Kind später keinen Ausbildungsplatz erhielte oder im Berufsleben, falls es denn überhaupt einen ordentlichen Beruf erlernt, Probleme hat, nur weil sie, also die Schulleiterin, nicht eingegriffen hätte. Die Klassenlehrerin brüstete sich auch ganz stolz damit, wie tolerant sie wäre und den Mädchen rosa- und pinkfarbene Kleidung erlauben würde, obwohl sie diese Farben nicht ausstehen könne. Aber sie hätte auch schon Schüler während der Unterrichtszeit nach Hause zum Umziehen geschickt, weil ihr die Kleidung nicht passte. Darf sie zwar nicht, aber das Schulgesetz von NRW hat an der Schule eh keinen Bestand. Die machen da, was sie wollen...

Ein bißchen animal farm ist auch dabei: manche sind eben gleicher als andere. Wenn es verbindliche Kleidervorschriften oder gar eine Schuluniform gäbe, dann... aber es wird nach Gutdünken und persönlichem Gusto entschieden, wer welche Kleidung tragen darf. Und wessen Styling aus dem Raster der Direktorin bzw. Klassenlehrerin fällt, endet als Hartz-4ler oder gleich unter der Brücke, so der Tenor der Unterredung.
Demnach war ich am Wochenende (Amphi in Köln) auf einem der größten Arbeitslosentreffen überhaupt. Lauter Gesindel ohne Ausbildung und Job - etliche in schwarzen Yakuzashirts - trieb sich da herum, also neeee... 
Die Kohle für den Eintritt war wahrscheinlich auf der Straße zusammengeschnorrt. Haste mal 'ne Mark, äh 'nen Euro, ey?

Ein Gespenst geht um in der Schule - das Gespenst des Nonkonformismus...
Und das muß ausgetrieben werden - um jeden Preis! Da wird auf das Grundgesetz und die darin verankerten Grundrechte - besonders auf Artikel 2 - geschissen und sich unter dem Deckmäntelchen der elterlichen Sorge und als Erziehungsberechtigte in die persönlichen Belange der Schüler eingemischt. Die tatsächlichen Eltern des betreffenden Kindes werden entrechtet, die Freiheit der Erziehung mißachtet.

Das Gespräch endete im Grunde ergebnislos. 
Nun ja, nicht ganz, immerhin dienen die engstirnige Direktorin und die nicht minder voreingenommene Klassenlehrerin wunderbar als schlechte Beispiele für uns, um unseren Kindern klarzumachen, wie man Menschen eben NICHT behandelt. Man verurteilt und diskriminiert niemanden aufgrund seiner Kleidung (es gibt Ausnahmen, aber dazu in einem anderen Post), seiner Hautfarbe, seiner Religion etc.
Daß meine Kinder - das Töchti wurde kurz darauf auf ein Bandshirt angesprochen, das wiederum ihrer Klassenlehrerin nicht passte - so etwas nun am eigenen Leib erfahren, hilft ihnen hoffentlich dabei, die Vorurteile, die sie selbst dem ein oder anderen Typen gegenüber hegen, schneller zu überwinden und offener auf diese Leute zuzugehen.

Da ich vor 25 Jahren Abi gemacht habe, fand ein Vierteljahrhundertabitreffen statt. Immerhin zwei Drittel unserer Stufe war da. Es war genau so wie früher: die Schönen und Reichen saßen zusammen an einem Tisch und zeigten sich auf ihren Handys Fotos von ihren Häusern, Autos, Kindern, den Geranien auf dem Balkon vom 5-Sterne-Hotel in St. Moritz oder den Palmen auf den Seychellen und die Outlaws hockten an dem anderen und unterhielten sich. Ich saß nicht bei den Schönen und Reichen und deshalb hatte ich Spaß!

Ein Großteil meiner Zeit wurde von den Vorbereitungen für ein Seminar verschlungen, das ich an der Uni Leipzig gegeben habe. Leider habe ich es mal wieder nicht zum WGT geschafft. Dafür war ich vorher in Leipzig und da die schwarzen Läden ihre Bestände für das WGT bereits aufgestockt hatten, machte es richtig Spaß, dort herumzustöbern.

Und zum Zahnarzt mußte ich auch noch, schrecklich! Da leg' ich mich lieber unter 'ne Guillotine!

Endlich habe ich es geschafft, Fotos auf dem wunderschönen Alten Friedhof von Bonn zu machen. Plane ich schon seit Teenietagen, als wir noch des Nachts über den Zaun geklettert sind, weil der Friedhof bereits geschlossen war. Ein Post zum Alten Friedhof ist in Planung.

Und letztes WE besuchten Töchti und ich das Amphi.
Ein ausführlicher Bericht mit vielen Bildern folgt bald, wirklich BALD, versprochen!

Montag, 7. April 2014

Ich hab's getan!

Ja, wirklich, ich habe dem Töchti und mir zwei Tickets für das Amphi besorgt!
Daß der Termin dieses Jahr auf meinen Geburtstag fällt, habe ich als Wink des Schicksals verstanden, endlich meine Gruft und meinen heimischen Friedhof zu verlassen und mich nach vielen langen Jahren einmal wieder in die große, schwarze Welt zu wagen.
Ich befürchte, ich werde einen (Sub-)Kulturschock erleiden.
Da ich die Szene jahrelang beinahe ausschließlich via Internet und anderen Medien verfolgt habe und es nur in irgendwelchen dunklen Läden oder im www zu Kontakten mit anderem Schwarzvolk gekommen ist, ist mir ein wenig mulmig zumute, denn das, was heutzutage so herumgotht, hat zumindest oberflächlich betrachtet wenig mit den Gruftis zu tun, mit denen ich früher in den 80ern so abhing.

Ein schwarzes Festival von den Ausmaßen des WGT oder des Amphi habe ich nie besucht. Gab es damals auch nicht - jedenfalls nicht in unserer Ecke - und außerdem war ich minderjährig und kam nicht überall 'rein. Auch wenn man damals nicht so kontrollbesessen war wie heute und man seinen Perso so gut wie nie vorzeigen mußte, um in die Disco zu kommen, manchmal wurde man eben doch aufgrund seines jugendlichen Alters abgewiesen. Da ich ohnehin kein Partygänger bin und mir Menschenaufläufe ein Greuel sind, war das nicht weiter schlimm. Das Jugendschutzgesetz galt/gilt eben nicht für Friedhöfe. Und dort fühlte ich mich auch irgendwie wohler.

Tja, was treibt mich nun dazu, mich nach Jahrzehnten des einsamen Herumgruftens und sporadischen bunten Phasen (jaja, wirklich nur Phasen! *lach*) mich wieder in der schwarzen Öffentlichkeit blicken zu lassen?
In erster Linie Neugier. Neugier auf viele nette Menschen, die ich dank des Internets kennengelernt habe und die ich gerne persönlich treffen möchte. Menschen, mit denen mich einiges verbindet, wie ich glaube, obwohl wir uns noch nie begegnet sind.
Und auch auf die jüngeren Generationen bin ich gespannt und die Vielfältigkeit des Schwarzvolkes, die es damals in den 80ern einfach noch nicht gab. Ein wenig bang ist mir schon zumute, ob ich mich unter all diesen Gestalten noch genauso zuhause fühlen kann wie früher.
Aber eigentlich mischt sich in dieses mulmige Gefühl doch eine gehörige Portion Vorfreude :D

Donnerstag, 20. Juni 2013

Hassu Haarlack dabei? - Teil 3


Die 90er oder wie der Haarlack aus meiner Tasche verschwand und wieder zurückkehrte...


Das Ende der 80er bedeutete für mich nicht nur das Ende meiner Schulzeit, sondern stellte auch den Anfang vom Ende meiner aktiven Zeit in der schwarzen Szene dar. Mit dem Abitur eröffneten sich mir endlich die Wege, die ich immer schon einschlagen wollte, fernab von den täglichen Grabenschlachten und Wortgefechten in den Gängen unseres Dorfgymnasiums, fernab von der beschränkten Welt und den Zwängen der Schule, die ich nur durchgestanden hatte, um meinen Traumberuf erlernen zu können...

Mein Freundeskreis änderte sich zwangsläufig in jener Zeit.
Das, was uns während der Schulzeit zusammengeführt hatte, war zum großen Teil hinfällig geworden: wir waren keine Außenseiter im Verband unserer Jahrgangsstufe mehr, eine Handvoll Eigenbrötler, die aus dem Rahmen fielen und sich genau dadurch selbst definierten, die sich abgrenzen wollten und ihren Klassenkameraden hin und wieder gerne Uniformität unterstellten und die Monotonie ihres aus unserer Sicht öden Seins unter die Nase rieben.
Ja, auch ich kann mich und besonders mein Teenie-Ich nicht davon freisprechen, Leute in Schubladen zu stecken bzw. gesteckt zu haben. Und mit der viel beschrienen Toleranz der Schwarzgewandeten war es zumindest in unserem dunkelbunten Umfeld nicht weit her. Wir waren damals Kinder und diesen noch nicht ganz fertigen Menschen sind Eigenschaften wie Verständnis und Nachsicht im Umgang mit ihren Mitmenschen doch ziemlich fremd. Im Gegenteil, wir waren stolz darauf, nicht so zu sein wie alle anderen und blickten sogar mit einem Quentchen Hochmut auf diese langweiligen Normalos herab.
Das Anderssein einte uns – anders im Hinsicht auf die Musik, die wir hörten, die Bücher, die wir lasen, die Themen, die wir diskutierten, die Orte, die wir aufsuchten, die Interessen, die wir teilten. Nicht zuletzt dienten Kleidung, Haartracht und Make-up der Visualisierung der gewaltigen Kluft, die uns in jeglicher Hinsicht von den anderen trennte.

Diese Kluft war plötzlich nicht mehr vorhanden, nach dem Schulabschluß zerbrach der Klassenverband und ich mußte mich neu orientieren.
Ich begann das ersehnte Ägyptologiestudium und traf andere Ägyptenverrückte, mit denen ich mich austauschen konnte, hatte einen guten Nebenjob in einer Arztpraxis (eine weiße Kluft war unumgänglich), und der Kontakt zu meinen alten Freunden brach langsam, aber sicher ab.
Meine Vorliebe für schwarze Kleidung, Horrorliteratur und -filme und mein Musikgeschmack änderten sich zwar nicht, jedoch kamen andere Interessen hinzu: mein Horizont erweiterte sich und damit verschoben sich meine Prioritäten. Was in den 90er Jahren in der schwarzen Szene passierte, ist größtenteils an mir vorbeigegangen bzw. weiß ich nur vom Hörensagen. Ich hielt mich damals im wesentlichen in der Uni oder an meinem Arbeitsplatz auf und fuhr, so oft es mir möglich war, nach Ägypten (Pikes sind nicht sehr zweckmäßig, um in Gräbern herumzukrauten und schwarze Klamotten sorgen im Hochsommer im Luxor nur für einen Kreislaufkollaps). Außerdem pflegte ich verstärkt eines meiner Hobbies: die Darstellung einer Klingonin aus Star Trek. Im Nachhinein sehe ich zwischen meiner schwarzgewandeten Klingonin und dem gruftigen Teenager, der ich einmal war, einige Parallelen. Nicht nur, daß ich die Einzige in meinem damaligen Umfeld war, die einer solch exotischen Freizeitbeschäftigung nachging, ich suchte und fand dadurch neue Freunde und Bekannte, denen es ebenso Spaß machte, sich die Kostüme und Masken, die man für eine ordentliche Darstellung brauchte, selbst zu nähen und zu fabrizieren. Wie oft haben wir Nerds, von den Briefmarken sammelnden Normalos spöttisch belächelt, gemeinsame Basteltage verbracht, Maskenbildnertipps ausgetauscht und uns beim Schminken und Maske/Kostümanlegen geholfen, bevor es auf eine Convention ging! Ja, auch da hatte ich Haarlack dabei, um die struppige Klingonenkreppfrisur, die doch ein wenig an den Zottellook meiner Gruftizeit erinnerte, den Tag überstehen zu lassen!
Ein wenig war es wie früher, als man sich seine Gruftklamotten selber nähte und seinen Nietenschmuck selbst zusammendrosch, sich beim Toupieren der Haare helfen und von der Freundin den Lidstrich ziehen ließ...

Nur war die Klingonin nicht mehr als eine Verkleidung für mich, die mich aus dem Alltag ausbrechen und in eine andere Rolle schlüpfen ließ, der Grufti (oder meinetwegen auch Goth) jedoch ist tief in mir verwurzelt. Er ist ein Teil meines Ichs, ein ziemlich eigensinniger Teil, der gerne gegen gesellschaftliche Zwänge rebelliert, aber mittlerweile akzeptiert hat, daß es unumgänglich ist, sich hin und wieder den gängigen Normen anzupassen – wenigstens ein Stück weit – und der durchaus in der Lage ist, zu erkennen, wann man besser die Pikes und Nietengürtel im Schrank zu lassen hat.

Im Grunde ist dieser Teil in den 80ern stecken geblieben. Mag sich die schwarze Szene auch weiterentwickelt haben, ich bleibe meinem altmodischen Gruftstyle treu. Mit Cybergoths kann ich nichts anfangen, die sind mir zu bunt und zu schrill und was Steampunk mit Gothic zu tun hat, erschließt sich mir auch nicht. Da bin ich konservativ. Überhaupt schaue ich mir mit Staunen und teilweise offenem Mund an, was es so alles für den Gothic von heute und die kuriosen Ableger, die die schwarze Szene getrieben hat, zu erwerben gibt. Und mehr als einmal habe ich mich schon bei dem Gedanken „Das hätte es damals bei uns aber nicht gegeben!“ ertappt. Naja, leben und leben lassen und wer Spaß am pinkfarbenen Schläuchen mit blinkenden LEDs auf'm Kopf hat, dem sei der von Herzen gegönnt!

Wenigstens brauche ich bei diesen Cybergoths keine Angst zu haben, daß sie mir ein Paar Pikes vor der Nase wegschnappen und die Ruhe auf meinem Friedhof stören! ;-)


P.S.: Wenn ich von „wir“ oder „man“ schrieb, meinte ich damit nicht generell die schwarze Szene, sondern ausschließlich meinen damaligen Freundeskreis und meine Wenigkeit. Bei „den anderen“ handelt es sich dementsprechend um Mitschüler, Kommilitonen, Kollegen, Verwandte etc. Kurz: die Typen aus den Schubladen „Popper“ und „Normalo“ :-D

Mittwoch, 19. Juni 2013

Hassu Haarlack dabei? - Teil 2

Oder wie man als Grufti in den 80ern überlebte...


So abwegig war die Idee eigentlich nicht, den Haarlack als Waffe zu gebrauchen – selbstverständlich nur zur Selbstverteidigung und nicht um ein paar Popperkids ihrer rosafarbenen Poloshirts zu berauben.
Das klebrige Spray konnte nämlich auch als Tränengasersatz dienen, falls man auf ein paar besoffene Skinheads traf, die gerade darauf aus waren, ein paar „Gruftis zu klatschen“.
Gott sei Dank kam ich nie in eine solche Bredouille, aber ich war froh, immer mein Haarspray in den Untiefen meines Rucksacks zu wissen, nachdem ich schon von dem ein oder anderen unerfreulichen Zusammenstoß zwischen Glatzköppen und Dunkelbunten gehört hatte. Meine Erfahrungen diesbezüglich beschränken sich darauf, nur angepöbelt zu werden, aber das reichte mir schon.
Dabei mußte man nichts anderes tun, als den Skins aus dem Weg zu gehen: deren Revier befand sich beim Hauptbahnhof, das unsrige beim Stadthaus. Traf man sich dennoch in der Innenstadt, die genau dazwischen liegt, hieß es, die Zähne zusammenzubeißen und darauf zu hoffen, daß der Haarlack nicht zum Einsatz kommen mußte.

„Hassu Haarlack dabei?“ ertönte wesentlich zaghafter die Frage, als uns eines Samstagsabends einmal eine Horde krakehlender Skins entgegenkam. Ich nickte stumm und schluckte. „Gut, ich auch,“ wisperte es zurück. Wir taten allerdings cool und ignorierten die Bierflaschen schwenkende Bande, um zügig unserer Wege zu gehen. Der Haarlack wurde an diesem Abend dennoch gebraucht, aber wirklich nur, um die Frisur zu richten!




Eine andere Möglichkeit, diesen unliebsamen Begegnungen zu entgehen, war es, sich auf dem Friedhof zu verstecken und die Party dorthin zu verlegen.
Da trauten sich die Skins nämlich nicht hin.
Bei Kerzenschein und einer Flasche Wein, die die Runde machte, las man klassische Gruselgeschichten wie „Der Horla“ von Guy de Maupassant oder „Carmilla“ von Sheridan Le Fanu. sprach über den unvermeidlichen „Dracula“ von Bram Stoker und dessen diverse Verfilmungen und die frühen Werke von Stephen King (die ich damals als Jugendliche gerne las, heute finde ich die Geschichten eher platt und vorhersehbar), beobachtete Fledermäuse, diskutierte über Gott und die Welt und genoß einfach die Stille bei Mondschein und Sternengeflimmer.
Schwarze Hühner haben wir allerdings nicht geschlachtet und auch keine Grabsteine beschmiert, wie man uns gerne unterstellt(e), und auch Satan nicht beschworen.
Im Grunde haben wir uns einfach nur die richtige Location für unsere Literatur- und Diskussionszirkel gesucht, um diesen Zusammenkünften mal einen etwas hochtrabenden Namen zu geben. Sich Vampirgeschichten mitten in der Nacht auf einem Friedhof oder im Schatten einer alten Burgruine, von denen es in unserer Gegend etliche gibt, zu erzählen, das sorgte für angenehmen Grusel und das ganze Ambiente dafür, daß man vollkommen in die Geschichte eintauchen konnte.




Okkultismus und diverse Praktiken, Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen, waren jedoch auch beliebte Themen, mit denen wir uns beschäftigten. Der einzige Versuch, mit einem Verstorbenen zu kommunizieren endete jedoch dank eines zu hohen Alkoholpegels der Beteiligten in albernem Gegacker, als wir unsere erste (und letzte) Séance abzuhalten versuchten und unser angebliches Medium mit dem Knie von unten an die Tischplatte klopfte und im schaurigen Tonfall „Buhuhuhuuuuuu!“ hauchte...