Oder wie man als Grufti in den 80ern überlebte...
So abwegig war die Idee eigentlich
nicht, den Haarlack als Waffe zu gebrauchen – selbstverständlich
nur zur Selbstverteidigung und nicht um ein paar Popperkids ihrer
rosafarbenen Poloshirts zu berauben.
Das klebrige Spray konnte nämlich auch
als Tränengasersatz dienen, falls man auf ein paar besoffene
Skinheads traf, die gerade darauf aus waren, ein paar „Gruftis zu
klatschen“.
Gott sei Dank kam ich nie in eine
solche Bredouille, aber ich war froh, immer mein Haarspray in den
Untiefen meines Rucksacks zu wissen, nachdem ich schon von dem ein
oder anderen unerfreulichen Zusammenstoß zwischen Glatzköppen und
Dunkelbunten gehört hatte. Meine Erfahrungen diesbezüglich
beschränken sich darauf, nur angepöbelt zu werden, aber das reichte
mir schon.
Dabei mußte man nichts anderes tun,
als den Skins aus dem Weg zu gehen: deren Revier befand sich beim
Hauptbahnhof, das unsrige beim Stadthaus. Traf man sich dennoch in
der Innenstadt, die genau dazwischen liegt, hieß es, die Zähne
zusammenzubeißen und darauf zu hoffen, daß der Haarlack nicht zum
Einsatz kommen mußte.
„Hassu Haarlack dabei?“ ertönte
wesentlich zaghafter die Frage, als uns eines Samstagsabends einmal
eine Horde krakehlender Skins entgegenkam. Ich nickte stumm und
schluckte. „Gut, ich auch,“ wisperte es zurück. Wir taten
allerdings cool und ignorierten die Bierflaschen schwenkende Bande,
um zügig unserer Wege zu gehen. Der Haarlack wurde an diesem Abend
dennoch gebraucht, aber wirklich nur, um die Frisur zu richten!
Eine andere Möglichkeit, diesen
unliebsamen Begegnungen zu entgehen, war es, sich auf dem Friedhof zu
verstecken und die Party dorthin zu verlegen.
Da trauten sich die Skins nämlich
nicht hin.
Bei Kerzenschein und einer Flasche
Wein, die die Runde machte, las man klassische Gruselgeschichten wie
„Der Horla“ von Guy de Maupassant oder „Carmilla“ von
Sheridan Le Fanu. sprach über den unvermeidlichen „Dracula“ von
Bram Stoker und dessen diverse Verfilmungen und die frühen Werke von
Stephen King (die ich damals als Jugendliche gerne las, heute finde
ich die Geschichten eher platt und vorhersehbar), beobachtete
Fledermäuse, diskutierte über Gott und die Welt und genoß einfach
die Stille bei Mondschein und Sternengeflimmer.
Schwarze Hühner haben wir allerdings
nicht geschlachtet und auch keine Grabsteine beschmiert, wie man uns
gerne unterstellt(e), und auch Satan nicht beschworen.
Im Grunde haben wir uns einfach nur die
richtige Location für unsere Literatur- und Diskussionszirkel
gesucht, um diesen Zusammenkünften mal einen etwas hochtrabenden
Namen zu geben. Sich Vampirgeschichten mitten in der Nacht auf einem
Friedhof oder im Schatten einer alten Burgruine, von denen es in
unserer Gegend etliche gibt, zu erzählen, das sorgte für angenehmen
Grusel und das ganze Ambiente dafür, daß man vollkommen in die
Geschichte eintauchen konnte.
Okkultismus und diverse Praktiken,
Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen, waren jedoch auch beliebte
Themen, mit denen wir uns beschäftigten. Der einzige Versuch, mit
einem Verstorbenen zu kommunizieren endete jedoch dank eines zu hohen
Alkoholpegels der Beteiligten in albernem Gegacker, als wir unsere
erste (und letzte) Séance abzuhalten versuchten und unser
angebliches Medium mit dem Knie von unten an die Tischplatte klopfte
und im schaurigen Tonfall „Buhuhuhuuuuuu!“ hauchte...
Oh wir haben uns auch immer auf dem alten Friedhof in meiner Heimatstadt getroffen, das war so schön ruhig und einfach eine tolle Atmosphäre. :)
AntwortenLöschenIch gehe immer noch gerne auf Friedhöfe - heute allerdings weniger, um mich dort mitten in der Nacht mit Freunden zu treffen (das ist leider wohl out), eher aus historisch-kulturellem Interesse.
LöschenDiese besondere Atmosphäre auf einem Friedhof, die Stimmung, die dort herrscht, zieht mich jedoch auch noch immer magisch an.