Mittwoch, 19. Juni 2013

Hassu Haarlack dabei? - Teil 2

Oder wie man als Grufti in den 80ern überlebte...


So abwegig war die Idee eigentlich nicht, den Haarlack als Waffe zu gebrauchen – selbstverständlich nur zur Selbstverteidigung und nicht um ein paar Popperkids ihrer rosafarbenen Poloshirts zu berauben.
Das klebrige Spray konnte nämlich auch als Tränengasersatz dienen, falls man auf ein paar besoffene Skinheads traf, die gerade darauf aus waren, ein paar „Gruftis zu klatschen“.
Gott sei Dank kam ich nie in eine solche Bredouille, aber ich war froh, immer mein Haarspray in den Untiefen meines Rucksacks zu wissen, nachdem ich schon von dem ein oder anderen unerfreulichen Zusammenstoß zwischen Glatzköppen und Dunkelbunten gehört hatte. Meine Erfahrungen diesbezüglich beschränken sich darauf, nur angepöbelt zu werden, aber das reichte mir schon.
Dabei mußte man nichts anderes tun, als den Skins aus dem Weg zu gehen: deren Revier befand sich beim Hauptbahnhof, das unsrige beim Stadthaus. Traf man sich dennoch in der Innenstadt, die genau dazwischen liegt, hieß es, die Zähne zusammenzubeißen und darauf zu hoffen, daß der Haarlack nicht zum Einsatz kommen mußte.

„Hassu Haarlack dabei?“ ertönte wesentlich zaghafter die Frage, als uns eines Samstagsabends einmal eine Horde krakehlender Skins entgegenkam. Ich nickte stumm und schluckte. „Gut, ich auch,“ wisperte es zurück. Wir taten allerdings cool und ignorierten die Bierflaschen schwenkende Bande, um zügig unserer Wege zu gehen. Der Haarlack wurde an diesem Abend dennoch gebraucht, aber wirklich nur, um die Frisur zu richten!




Eine andere Möglichkeit, diesen unliebsamen Begegnungen zu entgehen, war es, sich auf dem Friedhof zu verstecken und die Party dorthin zu verlegen.
Da trauten sich die Skins nämlich nicht hin.
Bei Kerzenschein und einer Flasche Wein, die die Runde machte, las man klassische Gruselgeschichten wie „Der Horla“ von Guy de Maupassant oder „Carmilla“ von Sheridan Le Fanu. sprach über den unvermeidlichen „Dracula“ von Bram Stoker und dessen diverse Verfilmungen und die frühen Werke von Stephen King (die ich damals als Jugendliche gerne las, heute finde ich die Geschichten eher platt und vorhersehbar), beobachtete Fledermäuse, diskutierte über Gott und die Welt und genoß einfach die Stille bei Mondschein und Sternengeflimmer.
Schwarze Hühner haben wir allerdings nicht geschlachtet und auch keine Grabsteine beschmiert, wie man uns gerne unterstellt(e), und auch Satan nicht beschworen.
Im Grunde haben wir uns einfach nur die richtige Location für unsere Literatur- und Diskussionszirkel gesucht, um diesen Zusammenkünften mal einen etwas hochtrabenden Namen zu geben. Sich Vampirgeschichten mitten in der Nacht auf einem Friedhof oder im Schatten einer alten Burgruine, von denen es in unserer Gegend etliche gibt, zu erzählen, das sorgte für angenehmen Grusel und das ganze Ambiente dafür, daß man vollkommen in die Geschichte eintauchen konnte.




Okkultismus und diverse Praktiken, Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen, waren jedoch auch beliebte Themen, mit denen wir uns beschäftigten. Der einzige Versuch, mit einem Verstorbenen zu kommunizieren endete jedoch dank eines zu hohen Alkoholpegels der Beteiligten in albernem Gegacker, als wir unsere erste (und letzte) Séance abzuhalten versuchten und unser angebliches Medium mit dem Knie von unten an die Tischplatte klopfte und im schaurigen Tonfall „Buhuhuhuuuuuu!“ hauchte...

2 Kommentare:

  1. Oh wir haben uns auch immer auf dem alten Friedhof in meiner Heimatstadt getroffen, das war so schön ruhig und einfach eine tolle Atmosphäre. :)

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    1. Ich gehe immer noch gerne auf Friedhöfe - heute allerdings weniger, um mich dort mitten in der Nacht mit Freunden zu treffen (das ist leider wohl out), eher aus historisch-kulturellem Interesse.
      Diese besondere Atmosphäre auf einem Friedhof, die Stimmung, die dort herrscht, zieht mich jedoch auch noch immer magisch an.

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