Montag, 30. Dezember 2013

Alle Jahre wieder...

Wir haben Weihnachten überlebt. Hurra!
Seit einigen Jahren machen wir es so wie anno dazumal die alten Ägypter.
Wir verbarrikadieren uns und lassen keinen herein, damit sich die Mär von der stillen Nacht und dem Fest der Liebe bewahrheitet. Und wir verlassen das Haus nicht und statten auch niemandem einen Besuch ab - im Gegensatz zum Rest der Menschheit, die Weihnachten dazu nutzt, Angehörige und angeheiratete Verwandtschaft heimzusuchen, deren Speisekammern zu plündern und einen zünftigen Familienkrach anzuzetteln. 

Ja, schon die alten Ägypter wußten, daß es besser ist, sich am Jahresende zu verrammeln, treiben doch die Unheil und Krankheit bringenden Dämonen der Sachmet gerade dann ihr Unwesen und machen mit ihrem Pesthauch jede Feiertagsstimmung zunichte. Diese vagabundierenden Schreckgestalten, die Seuchen und Tod verbreiten, lässt man am besten nicht ins Haus. Daher laden wir auch niemanden aus unseren Familien ein. Es ist nun nicht so, daß ich all meine Angehörigen meide wie die Pest, jedoch den größten Teil. Denn eigentlich, so meine Erfahrungen nach zig Weihnachtsfesten mit der lieben *röchel* und ziemlich großen Verwandtschaft, geht es denen bei derlei Familienzusammenkünften doch nur darum, einen ordentlich in die Pfanne zu hauen. Auch wenn diese Festivitäten meistens friedlich beginnen - meistens freut man sich ja, auch mal die Tanten und Onkel, die am anderen Ende von Deutschland oder der Welt wohnen, wiederzusehen -, enden tun diese Spektakel ganz anders. 

Familie ist ein seltsames Konstrukt vollkommen verschiedener Menschen, die außer ein paar Erbinformationen nichts miteinander teilen. Und jedesmal, wenn man wieder dem Irrglauben "Blut ist dicker als Wasser" erlegen ist, darf man feststellen, daß man mit diesen Leuten im Grunde nichts Wesentliches zu besprechen hat (gut, es gibt auch Ausnahmen wie meinen Papa). Im Grunde sind es Fremde, die außer besagten Genen keinen Anteil an dir haben. Nach dem üblichen small talk und der unvermeidbaren gemeinsamen Mahlzeit macht sich Sprachlosigkeit breit, die alle Beteiligten unter enormen Streß setzt. Man ist ja zum Fest der Liebe zusammengekommen und wen, wenn nicht die Verwandtschaft, muß man lieben? Ergo muß man auch miteinander reden können. Nur über was? 

Krampfhaft wird nach einem Thema gesucht, über das man sprechen könnte und oftmals gerät die zähe Unterhaltung ins Stocken, weil man sich eben nichts zu sagen hat und nichts von dem anderen weiß. Und das Wenige, das man weiß, liegt ohnehin jenseits des eigenen Horizonts und bietet allenfalls Angriffsfläche. Die Stimmung wird bei der schwerfälligen Suche nach einem Gesprächsthema deutlich schlechter und irgendwann ist man an einem Punkt angelangt, wo man enttäuscht vom Verlauf des Feier und der Verständnislosigkeit der Verwandtschaft immer angriffslustiger und der Ton immer schärfer wird. Irgendwann bricht dann der Krieg los - spätestens eine Stunde nach dem Nachmittagskaffee. Und oft endeten die Schlachten im großmütterlichen Salon damit, daß irgendeine Partei den Rückzug antrat und vor dem Ende des Familienfestes heulend nach Hause fuhr. Ach, wie besinnlich war das damals doch!

Irgendwann hatte ich die Nase voll und habe mich diesem Wahnsinn entzogen. Leider habe ich es nicht wirklich geschafft, denn ebenso wenig wie man das Auftauchen von Sachmets Dämonen verhindern kann, kann man der Familie entkommen - sei es die eigene oder die angeheiratete. Angehörige sind keine Freunde, Punktum. Der größte Unterschied liegt, wie ich vor einigen Tagen wieder feststellen durfte, darin, daß, auch wenn meine Freunde meine Macken nicht nachvollziehen können, sie diese ohne wenn und aber tolerieren und darauf Rücksicht nehmen. Und vor allem kann ich mit ihnen über das sprechen, was mich bewegt, ohne Gefahr zu laufen als geisteskranke Idiotin abgestempelt zu werden. Die Familie tut das nicht - ganz im Gegenteil. Und ich bin immer noch extrem sauer auf meine Schwiegermutter. Die hat jetzt einfach einen Punkt überschritten, wo bei mir der Ofen aus ist und in nächster Zeit auch nicht wieder angeheizt wird.

Bei der Familie meines GGs ist es nämlich leider Sitte, zu Weihnachten ein Kaninchen zu verspeisen. Für mich, die ich mit diesen Tierchen aufgewachsen bin und selbst welche halte, ist das ebenso abartig und pervers wie es für meine Schwiegermutter wäre, würde man eines ihrer Enkelkinder schlachten und ihr als Braten vorsetzen. Ich fühle mich jedesmal in einen Horrorfilm versetzt, wenn ich dem Massaker zusehen muß. Abgesehen davon, daß mir speiübel wird und ich auf Kommando losheulen und auf den Tisch kotzen könnte, steigen Haß und Abscheu in mir hoch und der Wunsch, diesen Leuten, die ich ja eigentlich mag und zu denen auch mein Mann gehört, mit einer scharfen Axt die Köpfe einzuschlagen. Na gut, vielleicht bin ich doch eine geisteskranke Irre...

Aber es ist für mich so furchtbar, zuzusehen, wie diese Tierchen, die ich so liebe - und ich sehe immer das Lebewesen vor mir, wenn der Braten serviert wird - in einer Art Zombieapokalypse zerfleischt werden. Ekel, nichts als Ekel und Wut empfinde ich dabei! 
Gott sei Dank fahren wir seit einiger Zeit Weihnachten nicht mehr zu meinen Schwiegereltern, die glücklicherweise weit weg wohnen. Also blieb mir das Gemetzel und der Brechreiz in den letzten Jahren erspart, bis... ja, bis meine Schwiegermutter neulich meinem GG per Telefon angekündigt hat, ihm bei seinem nächsten Besuch (er war beruflich in der Gegend) ein Kaninchen mitzugeben, das ich dann zubereiten solle.
Mein erster Gedanke war: hat die bekloppte Alte den A... offen?

Das Einzige, was ich mit toten Kaninchen mache, ist, die armen Tiere im Garten zu beerdigen, aber bestimmt nicht kochen oder braten!
Ich rede mir seit Jahren den Mund fusselig und engagiere mich dafür, daß keine Kaninchen aus Masthaltung mehr in Supermärkten landen, hatte selbst Pflegekaninchen und seit meiner Kindheit eigene und dann das!
Daß ich in die Luft gegangen bin, brauche ich wohl nicht zu erwähnen oder?

Aber dieser Vorfall hat mich nur wieder darin bestärkt, daß man sich seine Freunde genau aussuchen und dabei besser nicht auf Familienangehörige zurückgreifen sollte, die nicht freundlich mit einem umgehen. Ich weiß, daß meine Schwiegereltern uns schon häufig unter die Arme gegriffen haben, und bin ihnen auch sehr dankbar für ihre Unterstützung, aber diese Rücksichtslosigkeit nehme ich meiner Schwiegermutter wirklich krumm und daß sich mein GG dabei auf die Seite seiner Mutter schlägt, tut weh. Ich bin ansonsten ein ziemlich pflegeleichter Vegetarier und versuche nicht, meine Leichen verzehrende Umwelt auf den Tofutrip zu bringen, aber bei Kaninchenbraten ist Sense. 
Glücklicherweise ist meinem Mann dann doch die Erkenntnis gedämmert, daß es ein Unglück geben könnte, wenn er die Kaninchenleiche mit nach Hause brächte. Obwohl er's wahrscheinlich nicht nachvollziehen kann, wieso ich deshalb so ausgerastet bin, hat er mir immerhin diesen grausigen Anblick erspart. Aber sauer bin ich immer noch!

Nun ja, es sind eben die letzten Tage des Jahres angebrochen und die Dämonen werden immer stärker und energischer!  Lasst die giftigen Miasmen und die bösartigen Boten der Sachmet nicht in euer Haus dringen und feiert ein glückliches Neujahr!