Dienstag, 2. September 2014

Pikes: Garibaldi von Boots & Braces

Ein neues Paar Pikes befindet sich seit dem Amphi in meiner übersichtlichen Sammlung von mehr oder weniger spitzem Schuhwerk. In dem Fall wohl eher weniger. Diese Stiefeletten als Pikes (pike = Spitze) zu bezeichnen, ist wohl ziemlich gewagt. Eigentlich handelt es sich dabei eher um Rounds *GG* 

Nun ja, die Schuhe gefielen mir eigentlich doch und in Ermangelung des Angebots an richtig spitzen Pikes (so was wie weiße Schimmel) nimmt Grufti eben, was er kriegen kann. So beschenkte ich mich an meinem Geburtstag mit dem Garibaldis von Boots & Braces England, die ich am Stand vom Darkstore (Berlin) erstand. Ich weiß nicht mehr genau, was ich dafür bezahlt habe (nicht den Preis auf dem Schuhkarton), aber die Teile dürften um die 120 Euro kosten. Bei Ebay habe ich sie auch schon gesehen.



Es handelt sich dabei um ein qualitativ recht gut verarbeitetes Paar "Winkelpiker" (höhöhöhö) made in Portugal aus schwarzem Veloursleder und einem Futter aus einer eine Art Glattleder (aber echtes Leder, kein Plastik laut Klebeschildchen). Die Ferse ist verstärkt. Ja, autsch und das ziemlich scharfkantig, daß man sich bei längerem Tragen auch nur ja mindestens eine Blase läuft. Ich habe Schuhgröße 42 genommen, die mir sogar ein bißchen zu groß ist. Aber mit zwei Paar Socken passen sie hervorragend und auch die Blasengefahr wird minimiert. Die Sohle ist im Vergleich zu meinen geliebten, auch unspitzen 6-Schnallern von Headrazor (Hersteller wahrscheinlich Retroshu) dünner, dafür aber wesentlich unflexibler, was den Tragekomfort etwas mindert. Die Schuhe besitzen außerdem einen 2,3 cm hohen Absatz.



Der Knaller sind aber die drei verstellbaren Riesenschnallen an breiten Lederriemen, die mit Klettverschlüssen versehen sind. Genau das Richtige für Uraltgruftis, die keine Geduld und zu große Rückenbeschwerden haben, um die zwölf Schnallen ihrer Standardpikes zuzutüdeln. Sie besitzen keinen Reißverschluß, sondern nur je eine Zunge und diese drei Riemen mit Klett, um sie zu schließen! Hinten am Spann sind drei kleine Totenschädel angebracht - ein ganz putziges Detail, wie ich finde.



Ich bereue den Kauf nicht, auch wenn es ziemlich schmerzhaft war, die Schuhe einzulaufen und sie nicht so bequem sind wie die bereits erwähnten 6-Schnaller. Zwar habe ich nicht das passende Freibeuteroutfit dafür im Schrank, aber so ein bißchen fühle ich mich darin wie der schwarze Korsar oder zumindest der grausame Pirat Roberts. Wenn euch das nichts sagt, schaut euch "Die Braut des Prinzen" an ;)


Von li nach re: B&B, Headrazor (Retroshu?), Nevermind, 80er Jahre

Ich habe die Garibaldis - wieso auch immer sie nach einem italienischen Condottiero benannt wurden - bereits mehrfach getragen. Als gruftige Schuhe für den Alltag taugen sie allemal. Auch wenn sie nicht spitz genug sind...

Donnerstag, 14. August 2014

Alter Friedhof Bonn

"Der Alte Friedhof zählt zu den bedeutendsten Friedhöfen Deutschlands. Nicht nur Grabstätten zeitgeschichtlich interessanter Persönlichkeiten wie Ernst Moritz Arndt sowie Clara und Robert Schumann faszinieren. Seine gartenarchitektonische Gestaltung dokumentiert zudem die facettenreiche Geschichte der Sepulkralkultur."
Quelle: HP der Stadt Bonn 

Es ist kaum zu glauben, daß sich diese Oase der Stille und Ruhe am Rande der Bonner Innenstadt befindet; in der Nähe des Stadthauses von Hauptverkehrsstraßen umgeben liegt der Alte Friedhof schräg gegenüber vom BLA (Bonner Lärm-Anstalt), dem ehemaligen Treffpunkt von Punks und Gruftis in den 80ern, bevor die Stinos die Macht dort übernahmen.
Nur selten verirren sich Touristen außerhalb der regelmäßig stattfindenden Führungen dorthin, meistens trifft man nur auf Friedhofsgärtner oder eine Handvoll Junkies, die in Ruhe auf einer Parkbank einen Joint kreisen lassen.


Tritt man durch das schmiedeeiserne Tor, fühlt man sich, als habe man eine andere Welt betreten. Die Atmosphäre dieses Ortes nimmt den Besucher sofort gefangen. Der Straßenlärm tritt in den Hintergrund, das dumpfe Brummen der Motoren und das Quietschen der Fahrradklingeln dringen kaum noch an mein Ohr. Der Kies auf den Wegen knirscht bei jedem Schritt unter meinen Pikes, das Rauschen des Windes in den Kronen der riesigen Bäume und das Zirpen der Vögel verdrängen die störende Geräuschkulisse von draußen. Ein Eichhörnchen turnt an einem Ast über unseren Köpfen herum und guckt neugierig zu uns hinunter, ein Schmetterling flattert vorbei. Riesige Pilze wachsen an einem modrigen Baumstamm - Leben und Tod liegen so nah beieinander in diesem einzigartigen Biotop. 


Der Alte Friedhof wurde 1715 gegründet. Seit 1884 werden dort keine neuen Gräber mehr angelegt, aber auch heute noch werden prominente oder wohlhabende Bonner in bereits bestehenden Familiengräbern bestattet.
Manche Grabstätten sind verfallen, manche werden liebevoll gepflegt. Viele Grabmäler geben genau Auskunft über die Familienverhältnisse der dort ruhenden Toten, über ihren Beruf und ihre Vorlieben, denen sie zu Lebzeiten fröhnten. Viele bedeutsame Bonner Bürger, Wissenschaftler und Gelehrte, nach denen Straßen und Plätze benannt worden sind, sind hier beerdigt worden. Auf dem Plan, den die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Alten Friedhofs e.V. auf ihrer Homepage zur Verfügung stellt, kann man sich ansehen, wo sich welches Grab befindet: Plan - Alter Friedhof Bonn

Genug der Worte, ich lasse lieber Bilder sprechen...

Das Grab von Maria Magdalena van Beethoven





Herr Noeggerath schaut ein wenig mißmutig drein



 Das Grab von Robert und Clara Schumann




Sonntag, 3. August 2014

Amphi 2014 - Reflektionen eines 80er Jahre Relikts

Die Euphorie, die der erste Tag auf dem Amphi hervorgerufen hatte, hatte sich am Sonntagmorgen etwas gelegt und während das Kreppeisen aufheizte und auf seinen Einsatz wartete, reflektierte man die gestrigen Erlebnisse. 
Einiges fand ich 80er Jahre Relikt, da ich nun über den rostigen Gitterzaun des heimischen Friedhofs blickte, sehr befremdlich. Die Szene, die ich in Erinnerung habe, hat sich doch sehr verändert, zumindest optisch.
Einige Besucher trugen kunstvolle Verkleidungen und aufwendige Kostüme, als seien sie einem Fantasyfilm entsprungen oder hätten sich auf dem Weg zum nächsten LARP verlaufen. Andere schmückten ihr Haupt mit in Streifen geschnittenen Mülltüten, Absperrbändern und Gartenschläuchen und waren wie schrille Paradiesvögel oder Sahnetörtchen in Weiß und Pink oder sonstwie bunt gewandet. Äääääh...schwarze Szene? Schwarz? Diese dunkle Unfarbe?

Liebe Piratenbräute, Steampunks, Cybers und andere Farbfetischisten, nein, ich habe wirklich nichts gegen euch, ich kenne keinen von euch persönlich, aber habt Erbarmen mit einer alten Tucke wie mir, die euer Styling einfach merkwürdig findet. So unschwarz und ungruftig. Und ein Cybergothpunkwhatever (wie nun genau bezeichnet ihr euch?) erinnert mich irgendwie an das, was 'rauskommen könnte, wenn man einen Predator und einen Tribble kreuzt und mit Neonfarbe besprüht. Ihr seid mir einfach fremd - jedenfalls euer Outfit.
Naja, vielleicht sind ja die Seelen dieser Quietschbunten so tiefpechrabenschwarz, daß sie das Äußere wieder ausgleichen? Interessieren würde es mich ja schon, ob sich diese Leute, die sich so auffällig kleiden, zur schwarzen Szene zugehörig fühlen und wenn ja, wo sie die Gemeinsamkeiten zu den Friedhofsgängern, wie ich einer bin, sehen. Falls es die überhaupt gibt, die Gemeinsamkeiten...
Mir ist schon klar, daß die Szene nicht mehr so übersichtlich und homogen ist wie vor einem guten Vierteljahrhundert.

"Ok", erklärte ich dem Töchti, das diese Buntis ebenfalls merkwürdig fand, "wenn sich die Leute in diesen Outfits so gefallen, sollen sie die doch tragen. Wie wir herumlaufen, ist auch nicht jedermanns Sache." Es gab da einen Zwischenfall auf dem Amphi, da jemandem meine Pikes auffielen und er sich darüber wunderte, da er schon lange keine mehr gesehen hätte. Er musterte mich von Kopf bis Fuß und stellte fest, daß ich wohl ein richtiger old school Grufti wäre (ich fühlte mich da doch geschmeichelt, in die Schublade gesteckt zu werden, in der ich mich am wohlsten fühle). Und dann kam's...
"Das ist doch total out", sagte er. Grrrrrrrr!!!!!!!!
Ich unterdrückte den ersten Reflex, ihm freundlich eins hinter die Löffel zu geben  - die schwarze Szene ist ja so friedliebend, jawoll! - und erwiderte ruhig, daß er ja wohl nicht uptodate sei, die 80er wieder schwer im Kommen und Pikes ohnehin nie out gewesen seien. Dann gingen wir. 
Diese Bemerkung, die ich, um es mal klarzustellen, nicht als Verunglimpfung - höchstens im allerersten Moment - oder Kritik empfand, war wohl eher ironisch gemeint, kam sie doch von jemandem, der in den 80ern bestimmt älter war als ich und auch keine hippen Gartenschläuche auf dem Kopf oder Cupcaketäschchen am Gürtel trug.

Der Großteil der Besucher jedoch war den Temperaturen angemessen und völlig normal schwarz *hüstel* gekleidet. Ins Auge stachen mir dann doch wieder ein paar Typen, die Uniform trugen. Wohlgemerkt, ich meine jetzt keine Mädels, die aussehen wie freundliche PanAm-Stewardessen oder Typen, die einen auf Top Gun in Schwarz machen, sondern die, die richtige Uniformen tragen (wenn ich mich nicht irre, lief u.a. einer in NVA-Klamotte herum) oder solche, die an die gewisser Organisationen aus der Zeit zwischen 1933 - 45 erinnern und die in Deutschland schlicht und einfach verboten sind. Und nein, es reicht eben nicht, nur die Hakenkreuze wegzulassen, Abatz 2 von § 86a StGB zum "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" lautet: "Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind." Dazu gehören auch die Uniformen der HJ, SS, Waffen-SS oder SA. 

Da mein Gatte reenactet und ich weiß, welch sensibles Thema diese Uniformgeschichte ist und wie man damit in der Reenactment- bzw. WK2szene verfährt, erstaunt, ja erschreckt es mich um so mehr, wie lax mit dieser Problematik in der schwarzen Szene umgegangen wird. 
 Von "Wir sind ja so tolerant" *lalalala* über vollkommenes Unwissen, was die entsprechende Rechtslage in Deutschland angeht, bis hin zu "Wenn hier jetzt schon, in unserer scene, über den klamottenstil gestritten wird, dann ist es so weit. klar, auch ich sehe einige in "uniformen" die asotiationen wecken könnten, aber bisher dachte ich, das geschieht meist, bei dem "normalen" teil der bevölkerung." (Zitat aus einem der Threads von der FB-Seite des Amphifestivals, wo dieses Problem zur Sprache kam. Die Fehler sind nicht von mir *GG*) findet man beinahe alles an Ist-mir-egal-Attitüden.
HALLOHOOOOO? Geht's noch? Sagt mal, tickt ihr noch ganz sauber? Oder hat euch das Dogma der szenetypischen Friedfertigkeit und Toleranz schon das Hirn zu sehr aufgeweicht, daß ihr alles widerspruchslos hinnehmt? Kopf -> Tisch
Nein, ich möchte keinem Typen in HJ-Klamotte auf einem schwarzen Festival über den Weg laufen, keinem Pulk in SS-Uniformen oder Outfits, die daran erinnern! Leuten, die solche Klamotten tragen, unterstelle ich auch eine solche Gesinnung oder zumindest eine gewisse Nähe zum rechten Rand unserer Gesellschaft. Provokation ist schön und gut oder der Wunsch, Finsternis und Untergang darzustellen. Aber das kann man mit ein wenig Kreativität auch anders. 
Dieser Weg ist m.E. kein geeigneter, da er eine eindeutige politische Haltung zum Ausdruck bringt. Und war die schwarze Szene eigentlich nicht immer unpolitisch?
Nicht das schwarze Individuum an sich, aber die Szene im Großen und Ganzen folgte doch nie einer bestimmten Richtung und ordnete sich einer politischen Organisation unter, weder äußerlich noch ideell.  Ist das jetzt anders - zumindest bei einem Teil der Szene?

Meine Schmerzgrenze (und wohl nicht nur meine, wie etliche Posts auf FB belegen) ist jedenfalls bei weitem überschritten worden...
Ich kriege Magendrücken bei diesem Anblick und das nicht nur, weil ich mich daran erinnert fühle, daß die Rechten früher (also in meiner Jugend) gerne loszogen, um "ein paar Schwarze zu klatschen" und auch mal krankenhausreif schlugen. 
Ich empfinde es als eine ausgesprochene Verunglimpfung und Verhöhnung der Opfer dieser Epochen der deutschen Geschichte - sowohl die Zeit des Dritten Reichs als auch die der DDR -, wenn diese Uniformen als Kostüm von solchen Spaßvögeln getragen werden, denen die nötige Sensibilität fehlt, um zu erkennen, welch menschenfeindliche Haltung sie damit zum Ausdruck bringen. 

Ohnehin finde ich es seltsam, daß Uniformen oder Uniformteile zu Stylingelementen in der schwarzen Szene geworden sind. Uniform ist doch etwas, was wir nie sein und nie tragen wollten, oder?
Paradox...

Glücklicherweise konnte man diese Typen aber an einer Hand abzählen.
Kurioserweise und möglicherweise, weil die Security aufgrund einer ungenauen Anweisung von oben nach Gutdünken entscheiden konnte, was als bedrohlich, Waffe oder Waffenattrappe galt, wurde diesen Typen Zutritt zum Festivalgelände gewährt. Bei manchen WK2-Reenactments ist es hingegen schon vorgekommen, daß die Polizei nach dem Rechten (oder vielmehr den Rechten) gesehen hat oder der Veranstalter Besucher in entsprechender Klamotte vom Veranstaltungsgelände entfernen ließ, da die anderen Teilnehmer mit Personen, die eine derartige Gesinnung zur Schau trugen, nicht in einen Topf oder gar zusammen fotografiert werden mochten.

Friedliche Gruftis mit Nietenhalsbändern - damit könne man jemanden ja ein Auge ausstechen - mussten jedoch draußen bleiben, obwohl man eben solchen Schmuck auf dem Amphi käuflich erwerben konnte.
Muß man nicht verstehen...
Demnächst bleiben dann auch die Cybers draußen, die ja mit ihren Plastikschläuchen jemanden erwürgen könnten. Und Killernieten, KILLERnieten stellen ja schon aufgrund ihres Namens eine Gefahr für Leib und Leben dar...
Wahrscheinlich sind die Pikes heutzutage deshalb auch nicht mehr so spitz wie früher. Man könnte damit ja jemandem ein Loch ins Schienbein treten...  

Jetzt habe ich mich so lang und breit über diese wenigen negativen Momente auf dem Amphi ausgelassen, daß man beinahe glauben könnte, mir hätte das Festival überhaupt nicht gefallen. Hat es aber! Sogar sehr!
So sehr, daß ich meinen Geburtstag nächstes Jahr wieder dort feiern werde.
Ja, auch 2015 findet das Amphi genau dann statt :D 

Die vielen positiven Eindrücke überwiegen einfach und deshalb sehen wir uns in einem Jahr in Köln wieder...
Und bitte ladet doch auch She past away nochmals ein! 

Freitag, 1. August 2014

Amphi 2014 - Tag 2

Den Sonntagmorgen gingen wir geruhsamer an.
Unsere Lieblingsbands hatten samstags gespielt, heute wollten wir uns ins Theater setzen und Lesungen und Vorträgen lauschen, noch ein paar Bekannte treffen, etwas shoppen gehen und...mal sehen...

Wir gelangten rasch und ohne Probleme auf das Festivalgelände. Die Taschenkontrolle am Eingang verlief zügig und so früh am Morgen war die Security noch nicht überarbeitet und gut gelaunt. Auch unsere Flasche Haarlack und der Toupierkamm dürften wieder passieren. Ich mein', welcher anständige Grufti verläßt schon ohne Haarlack das Haus? ;)
Kaum auf dem Festivalgelände wurde die 0,5 l-Colaflasche, die wir am Tag zuvor für unglaubliche 5 Euro (inkl. 50 Cent Pfand) erstanden hatten, an einem der Trinkwasserbrunnen aufgefüllt. Glücklicherweise hatte der Veranstalter drei Wasserzapfanlagen zur Verfügung gestellt (worauf der Moderator immer wieder hinwies und die Leute aufforderte, ausreichend zu trinken), sonst wäre wahrscheinlich mindestens die Hälfte der Besucher mit Kreislaufkollaps wg. Flüssigkeitsmangels zusammengebrochen. Denn die Preise der GAstronomie waren so astronomisch hoch - steckt ja schon im Begriff selbst -, daß wohl manch einer eher verdurstet wäre, als genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Und bei den sommerlichen Temperaturen geht das schnell...


Schade, daß sich da der Inhaber des Tanzbrunnens, der sich wohl für die Gastronomie verantwortlich zeichnet, so querstellt und die Preise so hoch ansetzt. Denn nicht nur wir hätten mehr verzehrt, wären Getränke und Speisen günstiger gewesen. Die Pizza Margherita von der Größe einer kleinen Frisbeescheibe für 5,50 Euro und die schmeckte wie eine labberige Qualle, machte immerhin satt. Ein kulinarisches Highlight war sie nicht. Das darf man bei einem solchen Massenevent auch nicht erwarten
Aber der Tanzbrunnen liegt ja glücklicherweise nur ca. 10 Minuten Fußweg von einer Mäckesfiliale im Deutzer Bahnhof entfernt...

Wie dem auch sei, wir standen kurz vor 12 Uhr mit wohlgefüllter Wasserflasche vor dem Theater, in das wir wenig später eingelassen wurden.
Als erstes hörten wir eine Lesung von Ecki Stieg, der aus verschiedenen seiner Essays vortrug. Besonders sympathisch fand ich, daß er sich selbst über seine Schriebse kaputtlachte und kichernd gestand, er habe das Zeug selbst seit ewigen Zeiten nicht mehr gelesen, aber stünde immer noch dahinter.
Aus "I am the DJ" (unter diesem Link ist der entsprechende Aufsatz zu finden) gab es mehrere Auszüge. Als er die verschiedenen Typen charakterisierte, die in einem Szeneclub abhängen, kam er auch zum "80er Jahre Relikt": "Ist entweder in dieser Phase groß geworden oder geschmacklich darin hängen geblieben. (...) Ist noch nostalgischer und lamentierender als der alte Goth-Sack und versucht im Gegensatz zu diesem, dem optischen Stil der 80er zu entsprechen." 
Und das Töchti kreischte entzückt los: "Mama, der redet von dir!"
Ich versank in meinem Stuhl. Um mich herum kicherte es und mitfühlende Blicke Gleichaltriger trafen mich. Ich war nicht allein. Puuuuuh *erleichtertdurchatmet*

Irgendwann war dann auch der "alte Goth-Sack" an der Reihe, dem ich - auch musikalisch - viel näher stehe als dem "80er Jahre Relikt": "...ist Neuem gegenüber aufgeschlossen, freut sich aber dennoch, wenn sein Lieblingsstück kommt, das gemeinhin von The Cure, Bauhaus oder Joy Division stammt." Zum tanzen bin ich allerdings nicht zu träge und zu fett, das will ich nur mal klarstellen! 
Es war unheimlich, wie genau Ecki Stieg benennen konnte, welche Musik ich daheim so dudele. Und er wußte sogar, daß ich Ramones höre...

Danach folgte die Lesung von Markus Heitz. Nun gut, wirklich neugierig gemacht hat mich ehrlich gesagt keiner der "Kinotrailer" (so betitelte der Autor selbst die Exzerpte aus seinen Werken), die er da zum Besten gab. Aber vielleicht gucke ich mal in seine Bücher, sofern mir mal eins über den Weg läuft (wahrscheinlich findet man die im Bonner Comicladen). Der Vortrag war jedoch ein recht vergnüglicher und kurzweiliger, aber dann kam der Knaller des Tages: der Tod!

Den Tod muß man live (üb-)erleben. Zwar findet man auch Videos und Sketche im Internet, aber live ist er der Brüller schlechthin. Ich verweise hier auf seine Homepage endlich-tod.de, die er nach eigenen Worten einem Emo abgehandelt hat. Es sei für beide eine Win-win-Situation gewesen, erklärte er.
Der Tod befindet sich zur Zeit auf einer Imagekampagne durch Deutschland, da Sterben bei uns einen so schlechten Ruf besitzt. Dabei sind Radieschen von unten betrachtet eigentlich ganz harmlos.

Töchti und ich ganz erschlagen von der Hitze

Nach ca. drei Stunden verließen wir das Theater (mit Klimaanlage und sie lief sogar!) und bummelten planlos herum. Dabei trafen wir auf ein paar Bekannte, die auf der Wiese hinter der Händlermeile lagerten, ließen uns dort auch im Schatten nieder und quatschten ein bißchen. Ganz spontan beschlossen wir, uns um 17 Uhr im Staatenhaus Roter Sand anzusehen und obwohl die ja eigentlich nicht meine Mucke spielen, gefielen sie mir überraschenderweise sehr. Es passierte eben das, was immer geschieht, reißt einen die Atmosphäre und die Musik mit: irgendwann fängt man an zu tanzen und mitzuklatschen und am Ende ist man pitschnaß :D



Danach brauchten wir dringend etwas zu trinken. Die Akkustik im Staatenhaus ließ etwas zu wünschen übrig und die Lautstärke und vor allen die Bässe ließen unsere Ohren klingeln. Die Luft kochte. Also nichts wie raus da, als das Konzert vorbei war, und ab zum Trinkwasserbrunnen, wo erst einmal die beim Tanzen verlorene Flüssigkeit wieder aufgefüllt wurde. Die erschien im Nullkommanichts wieder auf der Hautoberfläche, die Klamotten klebten schweißgetränkt an mir, der gekreppte Wuschelkopf hatte schon arg gelitten, aber mein Deo hielt und ich fühlte mich einfach nur großartig!


Da das Töchti noch vorhatte, die letzten Reste seiner Amphikohle 'rauszuhauen, marschierten wir wieder zur Händlermeile. Irgendwann blieben wir bei Apoptygma Berzerk, die auf der Mainstage spielten, kleben. Fand das Kind nicht so berauschend, Muttern dafür um so mehr, als sie Major Tom spielten und die ganzen alten Goth-Säcke "Völlig losgehelöst von der Erde schwebt das Rauhaumschiff..." gröhlten und man sich wieder wie 13 fühlen konnte. Die Jüngeren blickten zwar etwas verstört um sich, aber das juckte keinen :D

Hier mal die Version von Peter Schilling:


Da Töchti ein immer längeres Gesicht machte, auch weil sie Kopfweh bekam, suchten wir uns ein ruhigeres Plätzchen, kauften uns noch etwas zu trinken (ja, diesmal hatte ich meine Rheumatabletten dabei und auch welche genommen, daß der Amphisonntag wesentlich schmerzfreier für mich ablief) und liefen noch etwas herum. Dabei trafen wir dann endlich auf zwei Bekannte, mit denen man bislang nur via Facebook Kontakt hatte, die jedoch, wie wir auch, schon beschlossen hatten, aufzubrechen. Hinzu gesellten sich noch zwei junge Gruftis aus Berlin, die sich vollkommen old school stylen. Die beiden Süßen machten alles wieder wett, was mir negativ auf dem Amphi aufgefallen war (dazu später). Sie waren superlieb und nett und sahen einfach nur toll aus! Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich das Foto, das ich von den beiden geschossen habe, hier veröffentliche. Da aber zahlreiche Bilder von den beiden in div. Amphigalerien existieren, geht es wohl klar, denke ich.


Das Treffen war wie gesagt kurz, aber dafür um so herzlicher und lustiger. Es ist eben einfach toll (auch wenn ich mich jetzt wiederhole), die Leute, die man aus dem www kennt, live zu erleben und festzustellen, daß man sich sympathisch ist. Gleichgesinnte zu treffen - und das haben wir auf dem Amphi definitiv! - ist unbezahlbar!

Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 30. Juli 2014

Amphi 2014 - Tag 1

Am 26. und 27. Juli fand im Kölner Tanzbrunnen das zehnte Amphifestival statt und damit meine erste schwarze Veranstaltung seit Jahrzehnten.
Und es war geil, saugeil sogar!


Der erste Amphitag - mein Geburtstag - begann in aller Herrgothsfrühe, um ausreichend Zeit zu haben, die Haare mit dem Kreppeisen zu malträtieren, sich weiße Schminke ins Gesicht zu klatschen und die Pikes zuzuschnallen. 
Aufgrund meiner Erfahrungen mit anderen Massenevents wollte ich früh los, um vor Einlaßbeginn beim Tanzbrunnen zu sein. Also fuhren wir Punkt 9 Uhr los, um eine gute halbe Stunde später vor dem Haupteingang einzutrudeln, wo der weltbeste Gatte Töchti und mich absetzte.
Dort tummelten sich jedoch nur eine Handvoll schwarzer Gestalten und eine andere Handvoll kreischbunter Typen mit Plastikmüll auf dem Kopf und neonfarbenen Tribbles an den Waden. Der erste Kulturschock für ein 80er Jahre Relikt bzw. alten Gothsack - wie ich in der Lesung von Ecki Stieg am Amphisonntag erfahren habe, bin ich ein Mischtyp - wie mich. Und die Klingonin schüttelt sich sowieso beim Anblick der farbenfrohen Tribbles...
Na ja, jeder Jeck ist anners und mer sinn ja in Kölle und da ist eh immer chronisch Fastelovend.

Wir waren also früh genug da, um kurz nach 10 Uhr, als mit klitzekleiner Verspätung geöffnet wurde, unsere Festivalbändchen zu erhalten und waren unter den Ersten auf dem Gelände.


Es war halt noch nichts los, das erste Konzert sollte um 12 Uhr auf der Mainstage stattfinden: The Juggernauts. Da die uns nicht wirklich interessierten, schlenderten wir über die Händlermeile, sahen uns die verschiedenen Stände an und sichteten das Angebot. Der erste Eindruck: joa, halt das übliche Zeugs, das es im Internet oder den schwarzen Läden überall zu kaufen gibt. Es waren jedoch auch etliche Händler da, die eigene Kollektionen her- und ausstellten, Handgemachtes und Unikate und da waren einige schöne Sachen dabei.


Und dann sah ich sie. Drei verschiedene Modelle. Nach unzähligen Paaren dicker Plastikklotschen. Pikes. PIKES!!! Ich befingerte sie ungläubig, einen Schuh nach dem anderen, drehte und wendete sie und prüfte das Leder und die Sohlen. Das eine Modell fiel bei mir gleich unten durch, obwohl es hübsch aussah, aber das anscheinend irgendwie beschichtete Leder - obwohl es echtes Leder sein sollte - fühlte sich merkwürdig an, als hätte man ein Kondom darauf geschweißt. Das andere Modell - ein Neunschnaller - gefiel mir schon besser, aber die Schnallen waren zu klein und daher zu weit auseinander. Beide kamen von Nevermind. Das dritte Modell - Veloursleder, hahaaaaaa! - besaß drei große Schnallen, Strippen mit Klettverschluß und sollte 129 Euronen kosten. Hersteller: Bed & Breakfast, äh, sorry, ich meinte Boots & Braces natürlich.
Ende der 80er besaß ich ähnliche Boots, die ich damals für 35 DM bei Reno erstanden hatte, und mein nostalgisches Alter-Gothsackherz begann schneller zu schlagen. Ich quatschte kurz mit einem der sehr netten Verkäufer, beschloß, noch ein wenig zu überlegen und erst einmal eine Runde um den Block zu drehen. Es dauerte keine fünf Minuten, bis ich feststellte, daß ich total doof sei. Da gab es Pikes - PIIIIIIIKES! -  in meiner Größe und in Veloursleder und ich überlegte, ob ich sie mir kaufen sollte. War ich noch ganz gar? Was gab es da zu überlegen? Ich stürmte wild entschlossen zurück, probierte die 42er an und sie passten wie angegossen. Fünf Minuten später waren sie mein!
Hatte ich Tage zuvor nicht noch getönt, daß ich keine Boots von B&B haben wolle, weil sie nicht spitz genug seien? Sch... drauf! Es lebe die Inkonsequenz! :D
Die neuen Schätzchen stelle ich noch mal gesondert vor, sonst wird dieser ohnehin schon zu lange Post noch länger!



Es wurde allmählich voller und wir machten uns auf den Weg zur Mainstage, wo bald mein persönliches Amphi-Highlight She past away auftreten sollte. Wir bekamen noch die letzten Takte von The Juggernauts mit und dann dauerte es auch nicht mehr lange und Volkan und Idris betraten die Bühne. Und zu meiner großen Freude spielten sie auch ihren bekanntesten Song mit dem für ein Geburtstagsständchen passenden Namen Kasvetli Kutlama (wobei kasvetli düster, öde bedeutet und kutlama Feier, Glückwunsch). Musik wie früher, so richtig, um sich davon durchfluten zu lassen, haaaaach!



Mehr meiner Fotos von den beiden Jungs gibt es HIER!

Leider verließen She past away schon nach gefühlten vier Minuten die Bühne - tatsächlich waren 40 Minuten Spielzeit für die zwei vorgesehen gewesen. Viel zu kurz. Vier Stunden wären so gerade ausreichend gewesen :D

Danach folgte gleich mein zweites Highlight: Clan of Xymox und auch die waren toll - fand ich zumindest.



Und weil es so schön und so geplant war, sahen wir uns gleich im Anschluß daran Lord of the Lost an - Töchtis Amphihelden! Die wurden vom Moderator als "die schönsten Sixpacks von St. Pauli" angekündigt - höhöhö! Ach, was soll ich viele Worte verlieren, guckt euch die Fotos an (die Links führen zu meinen entsprechenden FB-Alben)!



Die Jungs sind jedenfalls sehr lieb und nett, waren am Samstag sehr fleißig (Konzert und anschließend drei Autogrammsessions) und beim Meet&Greet um 20 Uhr am Stand von Queen of Darkness kam das Töchti in den Genuß eines gemeinsamen Fotos mit ihren Helden und eines kurzen, humorvollen Gesprächs mit Chris Harms. Er ist wirklich wahnsinnig toll mit seinen Fans!

Abgesehen davon kamen auch die sozialen Kontakte nicht zu kurz: man lernte seine Internetbekanntschaften endlich persönlich kennen und stellte fest, daß man sich auch im richtigen Leben mag. Überhaupt waren alle Leute, mit denen man ins Gespräch kam, super drauf, freundlich und lustig...

Der erste Tag war leider viel zu schnell vorbei. Gesundheitliche Probleme meinerseits verhinderten, daß wir noch an einer Aftershowparty teilnehmen konnten. Naja, was vergesse ich blöde Kuh auch meine Rheumapillen! Am Sonntag war ich schlauer und stopfte sie in meine Tasche...

Fortsetzung folgt....



Dienstag, 29. Juli 2014

Schwarzes Gesplitter

Ja, ich lebe noch!
Auch wenn ich mich in der letzten Zeit gar nicht gerüppelt habe...
Aber dafür habe ich ein paar Ausreden parat.

Zunächst war da einmal wieder ein recht erschreckendes Gespräch mit der Direktorin und der Klassenlehrerin unseres Sohn bezüglich seiner Kleidung. Er trägt gerne schwarze Yakuza-Shirts mit mehr oder weniger martialischen Motiven und kernigen Sprüchen (jedoch keine Symbole oder Parolen rechter oder gar verbotener Organisationen o.ä.! Das käme uns eh nicht ins Haus!). Die sind wohl einer Mitschülerin ein Dorn im Auge gewesen und so hat sie sich bei der Klassenlehrerin beschwert, sie könne sich nicht konzentrieren, wenn sie andauernd auf Sohnemanns T-Shirt gucken müsse. Aaaaah ja....
Ich denke ja, das Mädel sollte besser auf die Tafel schauen und den weisen Worten ihrer Lehrer lauschen anstatt das Styling ihrer Klassenkameraden unter die Lupe zu nehmen. Aber aus irgendeinem Grund, den ich nicht wirklich nachvollziehen kann, pflichtet die Lehrerin der selbsternannten Modepolizistin bei. 

Einem kurzen Schriftverkehr mit den eigensinnigen Eltern unseres Sohnes folgte die Einladung zu einem persönlichen Gespräch...mal wieder!
Fazit: Yakuza-Shirts sind in der Schule verboten, weil...
1. ...sie den Unterricht stören. Sie reden zwar nicht dazwischen, die Shirts, werfen auch nicht mit Papierkügelchen und ziehen die Mädchen an den blondierten, geglätteisten Haaren, aber sie stören - ganz plötzlich. Denn mein Sohn läuft damit schon seit zwei Jahren herum und auf einmal fallen die Yakuzas auf. Wenn ich nur wüsste, wieso...
2. ...sich die Klassenlehrerin durch die Shirts beleidigt sieht. Warum auch immer sie sich von den Yakuzas angesprochen fühlt... Es steht weder ihr Name drauf - Frau D., fuck off! z.B. - noch hat es ihr Konterfei bislang auf eines der Shirts geschafft. Wenn, würden wir es ohnehin nicht kaufen ;)
3. ...sich die Direktorin verpflichtet fühlt, auf das Styling ihrer Schüler zu achten und sie in Selbstvorwürfen zerfließen würde, wenn das Kind später keinen Ausbildungsplatz erhielte oder im Berufsleben, falls es denn überhaupt einen ordentlichen Beruf erlernt, Probleme hat, nur weil sie, also die Schulleiterin, nicht eingegriffen hätte. Die Klassenlehrerin brüstete sich auch ganz stolz damit, wie tolerant sie wäre und den Mädchen rosa- und pinkfarbene Kleidung erlauben würde, obwohl sie diese Farben nicht ausstehen könne. Aber sie hätte auch schon Schüler während der Unterrichtszeit nach Hause zum Umziehen geschickt, weil ihr die Kleidung nicht passte. Darf sie zwar nicht, aber das Schulgesetz von NRW hat an der Schule eh keinen Bestand. Die machen da, was sie wollen...

Ein bißchen animal farm ist auch dabei: manche sind eben gleicher als andere. Wenn es verbindliche Kleidervorschriften oder gar eine Schuluniform gäbe, dann... aber es wird nach Gutdünken und persönlichem Gusto entschieden, wer welche Kleidung tragen darf. Und wessen Styling aus dem Raster der Direktorin bzw. Klassenlehrerin fällt, endet als Hartz-4ler oder gleich unter der Brücke, so der Tenor der Unterredung.
Demnach war ich am Wochenende (Amphi in Köln) auf einem der größten Arbeitslosentreffen überhaupt. Lauter Gesindel ohne Ausbildung und Job - etliche in schwarzen Yakuzashirts - trieb sich da herum, also neeee... 
Die Kohle für den Eintritt war wahrscheinlich auf der Straße zusammengeschnorrt. Haste mal 'ne Mark, äh 'nen Euro, ey?

Ein Gespenst geht um in der Schule - das Gespenst des Nonkonformismus...
Und das muß ausgetrieben werden - um jeden Preis! Da wird auf das Grundgesetz und die darin verankerten Grundrechte - besonders auf Artikel 2 - geschissen und sich unter dem Deckmäntelchen der elterlichen Sorge und als Erziehungsberechtigte in die persönlichen Belange der Schüler eingemischt. Die tatsächlichen Eltern des betreffenden Kindes werden entrechtet, die Freiheit der Erziehung mißachtet.

Das Gespräch endete im Grunde ergebnislos. 
Nun ja, nicht ganz, immerhin dienen die engstirnige Direktorin und die nicht minder voreingenommene Klassenlehrerin wunderbar als schlechte Beispiele für uns, um unseren Kindern klarzumachen, wie man Menschen eben NICHT behandelt. Man verurteilt und diskriminiert niemanden aufgrund seiner Kleidung (es gibt Ausnahmen, aber dazu in einem anderen Post), seiner Hautfarbe, seiner Religion etc.
Daß meine Kinder - das Töchti wurde kurz darauf auf ein Bandshirt angesprochen, das wiederum ihrer Klassenlehrerin nicht passte - so etwas nun am eigenen Leib erfahren, hilft ihnen hoffentlich dabei, die Vorurteile, die sie selbst dem ein oder anderen Typen gegenüber hegen, schneller zu überwinden und offener auf diese Leute zuzugehen.

Da ich vor 25 Jahren Abi gemacht habe, fand ein Vierteljahrhundertabitreffen statt. Immerhin zwei Drittel unserer Stufe war da. Es war genau so wie früher: die Schönen und Reichen saßen zusammen an einem Tisch und zeigten sich auf ihren Handys Fotos von ihren Häusern, Autos, Kindern, den Geranien auf dem Balkon vom 5-Sterne-Hotel in St. Moritz oder den Palmen auf den Seychellen und die Outlaws hockten an dem anderen und unterhielten sich. Ich saß nicht bei den Schönen und Reichen und deshalb hatte ich Spaß!

Ein Großteil meiner Zeit wurde von den Vorbereitungen für ein Seminar verschlungen, das ich an der Uni Leipzig gegeben habe. Leider habe ich es mal wieder nicht zum WGT geschafft. Dafür war ich vorher in Leipzig und da die schwarzen Läden ihre Bestände für das WGT bereits aufgestockt hatten, machte es richtig Spaß, dort herumzustöbern.

Und zum Zahnarzt mußte ich auch noch, schrecklich! Da leg' ich mich lieber unter 'ne Guillotine!

Endlich habe ich es geschafft, Fotos auf dem wunderschönen Alten Friedhof von Bonn zu machen. Plane ich schon seit Teenietagen, als wir noch des Nachts über den Zaun geklettert sind, weil der Friedhof bereits geschlossen war. Ein Post zum Alten Friedhof ist in Planung.

Und letztes WE besuchten Töchti und ich das Amphi.
Ein ausführlicher Bericht mit vielen Bildern folgt bald, wirklich BALD, versprochen!

Montag, 7. April 2014

Ich hab's getan!

Ja, wirklich, ich habe dem Töchti und mir zwei Tickets für das Amphi besorgt!
Daß der Termin dieses Jahr auf meinen Geburtstag fällt, habe ich als Wink des Schicksals verstanden, endlich meine Gruft und meinen heimischen Friedhof zu verlassen und mich nach vielen langen Jahren einmal wieder in die große, schwarze Welt zu wagen.
Ich befürchte, ich werde einen (Sub-)Kulturschock erleiden.
Da ich die Szene jahrelang beinahe ausschließlich via Internet und anderen Medien verfolgt habe und es nur in irgendwelchen dunklen Läden oder im www zu Kontakten mit anderem Schwarzvolk gekommen ist, ist mir ein wenig mulmig zumute, denn das, was heutzutage so herumgotht, hat zumindest oberflächlich betrachtet wenig mit den Gruftis zu tun, mit denen ich früher in den 80ern so abhing.

Ein schwarzes Festival von den Ausmaßen des WGT oder des Amphi habe ich nie besucht. Gab es damals auch nicht - jedenfalls nicht in unserer Ecke - und außerdem war ich minderjährig und kam nicht überall 'rein. Auch wenn man damals nicht so kontrollbesessen war wie heute und man seinen Perso so gut wie nie vorzeigen mußte, um in die Disco zu kommen, manchmal wurde man eben doch aufgrund seines jugendlichen Alters abgewiesen. Da ich ohnehin kein Partygänger bin und mir Menschenaufläufe ein Greuel sind, war das nicht weiter schlimm. Das Jugendschutzgesetz galt/gilt eben nicht für Friedhöfe. Und dort fühlte ich mich auch irgendwie wohler.

Tja, was treibt mich nun dazu, mich nach Jahrzehnten des einsamen Herumgruftens und sporadischen bunten Phasen (jaja, wirklich nur Phasen! *lach*) mich wieder in der schwarzen Öffentlichkeit blicken zu lassen?
In erster Linie Neugier. Neugier auf viele nette Menschen, die ich dank des Internets kennengelernt habe und die ich gerne persönlich treffen möchte. Menschen, mit denen mich einiges verbindet, wie ich glaube, obwohl wir uns noch nie begegnet sind.
Und auch auf die jüngeren Generationen bin ich gespannt und die Vielfältigkeit des Schwarzvolkes, die es damals in den 80ern einfach noch nicht gab. Ein wenig bang ist mir schon zumute, ob ich mich unter all diesen Gestalten noch genauso zuhause fühlen kann wie früher.
Aber eigentlich mischt sich in dieses mulmige Gefühl doch eine gehörige Portion Vorfreude :D

Freitag, 28. März 2014

Wünschen sich “Gothic-Eltern” eigentlich “Gothic-Kinder”?

In seiner letzten Wochenschau stellte Robert von Spontis diese Frage unter Bezugnahme auf meinen letzten Blogpost "Ist ja nur 'ne Phase..." und schrieb: "Ich meine, das mitschleifen auf Konzerte und schwarze Veranstaltungen suggeriert doch eine gewollte Konditionierung, oder?" 

Ich denke zum einen, daß sich alle Eltern in erster Linie gesunde, glückliche Kinder wünschen. Klingt abgedroschen, aber es ist keine Selbstverständlichkeit, ein gesundes Kind zu zeugen und zu einem lebenstüchtigen Erwachsenen großziehen zu dürfen. Zum anderen stellt jede Art von Erziehung eine mehr oder weniger beabsichtigte Konditionierung dar. Ob es jedoch klappt, daß der Nachwuchs in die elterlichen Fußstapfen tritt, falls gewünscht, ist eine ganz andere Sache.

Quelle: http://www.toonpool.com/user/14830/files/adventskalender_1070025.jpg


Was die Werte angeht, die Goth-Eltern ihren Kindern vermitteln, und die Frage, was man seinem Nachwuchs auf dessen Lebensweg mitgibt, so ergeben sich möglicherweise einige Unterschiede im Vergleich zu den Zielsetzungen von Stino-Eltern, die ihren Nachwuchs auf größtmögliche Anpassung - nur ja nicht auffallen und provozieren! - trimmen wollen.

Kinder von Goth-Eltern bewegen sich im Grunde in zwei verschiedenen Welten: in der schwarzen ihrer Eltern (oder eines Elternteils) und der bunten außerhalb. Mag es jüngeren Kindern nicht bewußt sein, daß sich Mama und Papa von Kleingrufti anders kleiden als die Eltern von Kleinstino, irgendwann wird es auffallen. Wie die Kinder später mit ihren Mitmenschen umgehen, die nicht in das Bild passen, das durch ihr Elternhaus geprägt wurde, hängt von ihrer Erziehung ab und von den Erfahrungen, die sie mit Andersartigen machen konnten. Was das angeht, sind Kinder von Goth-Eltern m.E. eindeutig im Vorteil, denn sie lernen von frühester Jugend an beide Seiten kennen und damit umzugehen. Für sie ist es normal, daß Mama und/oder Papa anders sind als andere und daß es die gibt, die Hellbunten, ist auch vollkommen in Ordnung. Äußerlichkeiten spielen für kleine Kinder ohnehin kaum eine Rolle.

Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, da die Eltern nicht mehr das Zentrum des kindlichen Universums bilden und der Nachwuchs sich und seine Umwelt - vornehmlich die gleichaltrigen Klassenkameraden - stärker in den Fokus rückt. Nun ist man als Erziehende(r) besonders gefordert. Es war die Phase gegen Ende der Grundschule bzw. um den Wechsel zur weiterführenden Schule herum und während der ersten beiden Schuljahre dort, da ich mir häufiger die Frage stellte: was möchte dein Kind und was möchtest du für dein Kind? Daß sich meine Tochter zu dieser Zeit sehr an ihren Klassenkameraden orientierte, um zur Clique der beliebten Schüler zu gehören, behagte mir nicht wirklich. Sie war damals unglücklich mit ihrer Außenseiterrolle, wollte unbedingt dazu gehören. Was macht man also als "Gothmum", die diesen Wunsch so gar nicht nachvollziehen kann?
Man stärkt seinem Kind den Rücken. Fragt, wieso es denn so wichtig sei, sich mit den tonangebenden Leuten in der Klasse zu befreunden, und was man mit diesen gemeinsam habe. Wieso sie sich an deren Maßstäben messe? Und was an diesen Typen und deren Verhalten so nachahmenswert sei?

Meine Tochter hat es nie geschafft, sich in diese Gruppe zu integrieren. Warum? Weil sie anders ist...
Töchti hat nämlich rasch erkannt, daß sie gar nichts mit ihren ach, so beliebten Klassenkameraden gemeinsam hat und daß die Art, wie diese Typen Leute behandeln, die nicht in ihr Weltbild passen, alles andere als von Freundlichkeit und Toleranz geprägt ist. Die Freunde, die meine Tochter mittlerweile gefunden hat, sind im Grunde ebenso Außenseiter wie sie. Und sie verteidigt ihre Freunde gegen die teilweise wirklich bösartigen Angriffe ihrer Mitschüler. Ja, so habe ich mir meine Kinder gewünscht! Und darauf bin ich stolz.

Ich bin stolz auf meine beiden Kinder, die das Rückgrat haben, sich gegenüber der Mehrheit zu behaupten. Natürlich provozieren sie - sei es durch ihr Äußeres, ihre Kleidung oder ihre Haltung und Einstellung -, aber Provokation ist ja nicht unbedingt etwas Negatives! Provokation rüttelt auf und regt einen im besten Fall zum Nachdenken an, zum Diskutieren und zum Kennenlernen unterschiedlicher Standpunkte.
Die Klassenlehrerin meines Sohnes glaubt leider jedoch, daß Anpassung der einzige Weg zum Lebensglück sei und ersuchte uns schriftlich, auf ihn einzuwirken, "neutrale Kleidung" in der Schule zu tragen.

Was so etwas Unerhebliches wie Kleidung angeht, so sind wir der Meinung, daß unsere Kinder selbst entscheiden können und sollen, was sie anziehen und worin sie sich wohlfühlen. Ich würde meiner Tochter z.B. allerdings nie so offenherzige Kleidungsstücke erlauben, die nach Babystrich schreien und teilweise bereits von Zwölfjährigen getragen werden, oder meinem Sohn ein Thor-Steinar-T-Shirt. Wenn andere Eltern das ihren Kindern gestatten, ihr Ding!

Zurück zur Frage, ob sich Gothic-Eltern Gothic-Kinder wünschen.
Was mich angeht, würde ich diese Frage mit einem klaren "Jein!" beantworten. :D
Das Wichtigste für meinen Mann und mich ist, daß die Kinder mit dem, was sie sind, was sie tun und was sie erreichen, zufrieden sind. Mir ist es gleich, welche Musik meine Kinder hören, wie sie sich kleiden (innerhalb bestimmter Grenzen, s.o.) und ob sie sich die Haare schwarz färben oder nicht. Aber mir ist ist nicht egal, wie sie mit sich, ihren Mitmenschen und ihrer Umwelt umgehen. Ich versuche meinen Kindern Offenheit und Neugier Fremdartigem gegenüber zu vermitteln; Höflichkeit und Sensibilität im Umgang mit anderen Leuten sind mir sehr wichtig.
Ich habe mir Kinder mit starken Persönlichkeiten gewünscht, die selbstbewußt genug sind, Dinge zu hinterfragen, sich ihre eigene Meinung zu bilden und zu vertreten und nicht, nur um nicht aufzufallen, Mitglieder einer Hammelherde werden, wo man eigentlich nur Ärschen nachrennt...
Da diese Haltung für mich einen bedeutenden Teil des Gruftiseins ausmacht, habe ich mir zumindest, was diesen Part angeht, wohl doch Grufti-Kinder gewünscht...

Freitag, 28. Februar 2014

Ist ja nur 'ne Phase...

Neulich im Fratzenbuch...

Das Töchti hatte Ende letzten Jahres einen Nähkurs besucht und gleich im Anschluß sein dreiwöchiges Berufspraktikum bei derselben Schneidermeisterin absolviert. Dabei sind zwei wirklich wunderbare Kleidungsstücke herausgekommen, die das Töchti mit Stolz trägt: einen Fishtailrock und ein Raglanshirt mit Kapuze. Sieht beides richtig toll aus!
Ich bewundere ja Leute, die sich ihre Klamotten selbst herstellen, ohnehin. Ich habe nämlich zwei linke Hände und zu wenig Geduld für solche Friemeleien. Außerdem halte ich Nähmaschinen für Dämonen und so eine Art vampiroide Roboter, die mir mit Vorliebe in die Hand beißen wollen. Da dresche ich lieber Nieten mit ordentlichem Kawumms! in meine Kleider (die mir jemand anderes näht).
Wie dem auch sei, das Töchti präsentierte dieses Foto von sich im neuen Rock auf Facebook.




Es entspann sich daraufhin in den folgenden Tagen eine lustige Konversation zwischen einem Bekannten meines Gatten und mir. Dazu muß man wissen, daß der gute Mann nicht unbedingt um die Ecke wohnt und uns, sprich den Rest der Familie, max. dreimal zu Gesicht bekommen hat, uns also eigentlich gar nicht kennt.

Es ging also los mit "hihi:-)...die Gothic Phase! Hatte unsere auch, ging aber vorbei!". Meine Reaktion: "Ääääh...daß das nur eine Phase ist und vorbei geht, kann ein Irrtum sein ;)" Er wieder: "Wartet's ab...das gibt sich!" Ich: "Ja, darauf warten meine Eltern noch immer *LOL*" Den Wink mit dem Zaunpfahl hat er nicht verstanden...
Ich mein', irgendwo fand ich es ja auch ziemlich niedlich von ihm, mich trösten und mir vermitteln zu wollen, daß diese pubertären Anwandlungen ganz normal sind und man als Eltern einfach darüber stehen muß, wenn die Kinder eben in die Gothic-Phase kommen. Wir hätten das ja alle in unserer Jugend durchgemacht, also solche Phasen. 
Er gestand mir dann, daß er in den 80er Jahren ja mal Popper war. Ih, pfui! Das waren die mit den pastellfarbenen Lakotzhemden und den Brechlingtonsocken!
Aber das habe ich ihm großmütig verziehen, das war ja nur 'ne Phase :D

Aber irgendwie kamen wir an einen Punkt, an dem mir diese ganzen Phasenfaseleien zuviel wurden und ich ihn dezent *hüstel* darauf hinwies, daß die Schwarze-Klamotten-Phase bei mir nie ein Ende gefunden hatte. Nein, ich habe ihm meine Pikes nicht um die Ohren gehauen, falls das jemand vermuten sollte, höchstens virtuell! Er war dann ein wenig fassungslos und mein gruftiges coming out brachte ihn vollkommen aus dem Konzept, als er merkte, daß er bei mir eigentlich offene Türen einrannte. Wie gesagt, er war höchstens dreimal oder so bei uns zu Besuch und daheim laufe ich nicht aufgebrezelt herum wie Siouxsie bei einem ihrer Auftritte. 
Seine Bestürzung äußerte sich dann in einer Bemerkung, die mich wiederum bis ins Mark erschütterte. Als er neulich bei uns gewesen wäre, hätte ich so normal ausgesehen, hat er gesagt. Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen!
Normal? ICH? Wahrscheinlich sah ich in diesem Moment aus wie ein Fisch auf dem Trocknen, der heftig nach Luft schnappt.
Aber mal im Ernst: was stellen sich die Stinos denn vor? 
Natürlich laufe ich zuhause, in meinen eigenen vier Wänden, in bequemen und zweckmäßigen Alltagsklamotten herum. Und wenn ich ein Gespräch mit meinem Doktorvater habe oder in die Uni muß, kleide ich mich auch nicht so, als würde ich auf's WGT wollen. 
Die Kleidungsstücke, die ich trage, sind fast ausschließlich schwarz. Manchmal habe ich eine bunte Phase (haha, eine Phase, ne?!) und ziehe auch mal etwas Violettes oder Burgunderfarbenes an. Diese Anwandlungen gehen jedoch schnell wieder vorbei. Mein Kleiderschrank ist eigentlich ein schwarzes Loch.

Und meine Haare sind schwarz (gefärbt). Aber nicht immer gekreppt und mit 1000 Litern Haarlack toupiert. Falls das jemand von mir erwartet, muß ich ihn enttäuschen. Das habe ich früher mal gemacht, als ich noch den Robert-Smith-Siouxsie-Frisurenstyle pflegte. Heute sind meine Haare dazu zu lang und ich mag sie mir nicht mit dem Kreppeisen verbrutzeln. Aber ich habe immer noch eins (das auch hin und wieder benutzt wird) und ohne Haarlack kann ich nicht leben. Außerdem dauerte es Stunden, die Haare so hinzukriegen. Das ist mir einfach zuviel Aufwand für den Alltag.
Aber ich sehe nicht normal aus, MENNO! *mitdenbepikestenfüßenaufstampft*
Oder doch?

Mittwoch, 26. Februar 2014

Keine Pikes mehr?

Schlechte Nachrichten aus Berlin: Headrazor100 verkauft keine Pikes mehr, da der Hersteller, der in England sitzt, im Januar pleite gegangen ist. :-(
Das teilte man mir gestern per Email mit.
Dabei war ich so scharf auf die 9-Schnallen-Pikes...

Bei Spontis läuft gerade ein Projekt der Frau B aus G, die wohl einen Schuhmacher an Land gezogen hat, der willens ist, einer Horde konservativer Gruftis das passende Schuhwerk herzustellen. Schauen wir mal, was daraus wird.
So weit war ich nämlich auch schon mal, bis der Schuhmacher mir doch eine Absage erteilt hat. Hoffen wir, daß Frau B aus G mehr Glück hat :)

Montag, 17. Februar 2014

Freiräume für Sub_Kultur

Am Samstag, dem 15.02., traf ein Haufen buntgemischtes Volk auf dem Bonner Kaiserplatz zusammen, um für mehr Freiräume für Sub_Kultur und gegen die Verödung der Bonner Kulturlandschaft auf die Straßen zu gehen. Die Teilnehmer waren zwar hauptsächlich jugendlichen Alters, aber im Grunde waren alle Bevölkerungsschichten vertreten: vom Säugling bis zum Rentner, vom Stino bis zum Grufti und zum Punk. Jaaaa, es gibt tatsächlich noch Punks in Bonn, ich war ganz geplättet!


Hintergrund dieser Demo: eine Handvoll Kleingeister, die sich von div. Open-air-Festivals, public viewing und anderen (sub-)kulturellen Ereignissen, die in und um Bonn herum stattfinden, gestört fühlen, haben davor gesorgt, daß diese Events zunächst nur noch unter strengsten Auflagen bzw. gar nicht mehr stattfinden konnten. So starb die R(h)einkultur nach fast 30 Jahren aufgrund "mangelnder Unterstützung der Stadt Bonn" *hüstel* U.a. liegt die "mangelnde Unterstützung" wohl auch in dem nicht wirklich klaren Standpunkt der Rathaus-Bon(n)zen begründet, die zwar die Menschenmassen, die die R(h)einkultur anzog, begrüßten, aber dennoch den Klagen einiger Anwohner (das ging mehrfach durch die Lokalpresse) Gehör schenkten.
Ganz aktuell ist der Streit um die Klangwelle auf dem Münsterplatz, den zwei (!!!) Querulanten angezettelt haben, denen es bei ihrem Umzug in die Bonner Innenstadt wohl nicht klar war, daß mitten in der City wohl ein wenig mehr Trubel herrschen kann als in 'ner Dorfrandlage. Wir sind gespannt, wie lange sie noch den Weihnachtsmarkt dulden werden...



Es ist mir unbegreiflich, daß die Bonner Bürokraten den Forderungen einiger Weniger, die ihr Ruhebedürfnis höher schätzen als die Bewahrung des kulturellen Lebens in Bonn, stattgeben. Damit sägen die Verantwortlichen eigentlich selbst den Ast ab, auf dem sie sitzen, denn seien wir mal ehrlich: Bonn war immer schon ein langweiliges Provinznest, das, seitdem Berlin wieder Hauptstadt des deutschen Reiches, ähm, pardon, von Großdeutschland, neee, das war's auch nicht... unserer Bananenrepublik wurde, langsam, aber sicher in seinen Dornröschenschlaf zurück sinkt. Festivals wie die R(h)einkultur in den Rheinauen, der Kunstrasen, Konzerte auf dem Marktplatz, die Klangwelle oder der Künstler- und Handwerkermarkt auf dem Münsterplatz, Rhein in Flammen, das Beethovenfest, der große Rheinauenflohmarkt, die Oper (die auch mit einer Menge Schwierigkeiten zu kämpfen hat, um es mal verharmlosend auszudrücken) etc. etc. - es gab/gibt unendlich viele und vielfältige Veranstaltungen in und um Bonn - locken Besucher an, die wiederum jede Menge Kohle in die ewig klammen Stadtkassen spülen. Für jeden war/ist etwas dabei und dementsprechend sprachen/sprechen diese unterschiedlichen Events auch zahlreiche Menschen an. Und wenn viele Menschen zusammenkommen, gibt es nun einmal Lärm. Musik z.B. Ganz, ganz gräßlich! Wahrscheinlich ist Beethoven deshalb ertaubt. Freude schöner Götterfunken, aber bitte nicht in Bonn...



Da guckt der liebe Ludwig van ganz stoisch auf die Menschenmenge auf dem Münsterplatz herab und wundert sich wahrscheinlich darüber, wie weit es mit seiner Heimatstadt gekommen ist, daß die Leute für ihr Recht, Musik hören und sich daran zu erfreuen, demonstrieren müssen.


Paradox ist es gar, daß die Stadt Bonn auf ihrer Homepage so für sich wirbt: "Bonn gilt jeher als Kulturstadt. Aus dieser Tradition hat sich in allen kulturellen Sparten ein vielfältiges, lebendiges und erfolgreiches Kulturleben entwickelt.", aber alles dafür tut, den Veranstaltern Steine in den Weg zu legen oder dringend benötigte Zuschüsse und Gelder zu streichen und in andere Kanäle zu leiten. Das Bonner Kulturleben liegt im Sterben, aber das scheint bei den Bon(n)zen im Rathaus noch nicht angekommen zu sein...



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