Montag, 22. April 2013

Schwarzträger = Emo?!?!

Der letzte Samstag war einmal wieder sehr aufschlußreich, was die Intoleranz und Beschränktheit unserer Mitmenschen angeht. Wirklich erstaunlich war, daß sich diese Zusammenstöße mit Jugendlichen ereigneten, von denen man doch eigentlich eine gewisse Aufgeklärtheit und Liberalität erwarten könnte - nicht zuletzt dank der Vielfalt an Medien und Informationen, die heutzutage zur Verfügung stehen.
Ob ich zuviel von diesen pubertären Gören erwarte? Bestimmt. 
Das, was ich erwarte, weil ich es auch anderen entgegenbringe, ist ein Mindestmaß an Respekt und Toleranz. Und wenn man letzteres schon nicht aufzubringen vermag, dann sollte man sich auf seine gute Erziehung besinnen - falls man eine solche überhaupt genossen hat - und nicht in der Öffentlichkeit herumpöbeln.

Kurz zur Vorgeschichte: am Samstag besuchten meine vierzehnjährige Tochter und ich den Berufsinformationstag in der Schule, eine Pflichtveranstaltung. Ich trug halt mal wieder meine üblichen schwarzen Klamotten - was auch sonst? Mein Mantel ist vielleicht ein Stück zu lang für den konventionellen Geschmack und ab der Taille zu ausgestellt und meine Pikes (jaaaaa, ich hab' mir letzten Monat neue gegönnt!) ein wenig zu spitz ;-)  Das Töchti folgt Mamas 80er Jahre-Gruftstyle nicht wirklich, aber nimmt gerne meine alten Klamotten, die noch aus meiner Teenagerzeit stammen (und die ich gehegt und aus nostalgischen Gründen aufbewahrt habe), kombiniert die mit den ihren und verfolgt ihren ganz eigenen dunkelbunten Stil.
Also tauchten wir beide schwarzgewandet - also in unserer alltäglichen Kleidung - in der Schule auf...

Quelle: Google Bildersuche - Cartoon spukt auf etlichen Internetseiten herum.
No copyright infringement intended.


"Emo!" war noch das Harmloseste, was man uns hinterherrief - das sollten wir an diesem Tag noch öfters zu hören bekommen -, und "Halloween ist schon vorbei!" Das kam ausgerechnet von einem Halbstarken, dessen Hose unter'm A... hing und der aussah, als wäre er in die Zombieapokalypse geraten, nun ja...
Ein 14-/15jähriger meinte gar, mir raten zu müssen, ich solle erwachsen werden *LOL* Das war der Knaller schlechthin!
Leider hat meine Tochter noch kein so dickes Fell wie ich und reagiert auf solche Zurufe. Ich registriere diese Äußerungen zwar, sie prallen jedoch an mir ab. Ich schere mich nicht um das, was Fremde, die mich nicht kennen und auf deren Bekanntschaft ich auch nicht unbedingt Wert lege, von mir halten. Genau das versuche ich auch meinem Töchti beizubringen und bislang klappt das ganz gut. Nebenbei bemerkt bin ich sehr stolz auf mein Mädchen: auch wenn sie sich über diese Dumpfbacken ärgert, läßt sie sich nicht von ihnen beeinflussen, sondern zieht ihr Ding durch. Nur der Spamfilter auf ihren Ohren muß noch undurchlässiger werden.

Das Einzige, was mich nervt, ist, wenn man mich als Emo bezeichnet, muß ich zugeben. Ich hasse es, in diese Schublade gesteckt zu werden, auch wenn sich derjenige, der alle Schwarzträger für Emos hält, dadurch als ignoranter Dummkopf erweist. Keine Ahnung von Subkulturen, aber man hat ein modisches Schlagwort aufgeschnappt und freut sich offensichtlich, damit mal jemanden beleidigen zu können. Denn an der Schule hier ist EMO schon längst die Abkürzung für Emotionales Mobbing Opfer geworden. Supi!

Eigentlich ist es traurig, daß die meisten Halbwüchsigen nur durch die Herabsetzung anderer von ihren Minderwertigkeitskomplexen ablenken und somit ihr Selbstbewußtsein (oder Selbstüberschätzung?) vor ihrer Clique demonstrieren können. Selbstbewußtsein...hmmm, besitzen diese Kids, die mitten in der Phase der Selbstfindung stecken, so etwas überhaupt? Ich meine damit: sind sie sich ihrerselbst überhaupt bewuß?
Schauen wir einmal, was Wikipedia (die m.E. kein ernstzunehmendes Nachschlagewerk ist, aber naja...) dazu sagt: "Selbstfindung ist ein Begriff aus der Enwicklungspsychologie Er beschreibt einen in der Pubertät beginnenden Prozess, durch den ein Mensch versucht, sich in seinen Eigenheiten und Zielen zu definieren, vor allem in Abgrenzung von der Gesellschaft und ihren Einflüssen."
Ähm, ja...für die Kids, denen wir begegnet sind, gilt das wohl nicht. Die definieren sich anscheinend nur durch größtmögliche Anpassung an die Gesellschaft, deren Normen und Trends. Ist ja auch kein Wunder, denn um sich selbst zu finden, muß man sich erst einmal suchen - was aber, wenn die Suche ergebnislos bleibt? Bei den Typen, die hohler sind als Christbaumkugeln, gibt's eben nicht viel zu entdecken. Denen bleibt nichts anderes übrig, als dem Rest der Hammelherde zu folgen und sich anzupassen.                                                                                                                                                                                         

Quelle: Google Bildersuche - Cartoon spukt auf etlichen Internetseiten herum.
No copyright infringement intended. 

Daher sollte ich auch deren "Emo!"-Ruf überhören - dafür bleibt mir das genervte Stöhnen und Augenrollen anderer Grufts im Gedächtnis kleben, die das ebenfalls kennen und schon so betituliert worden sind.
Keine Sorge, es folgt jetzt keine Sonntagspredigt über die Unterschiede zwischen Emos und Goths. Es gibt genügend Seiten im Internet, wo die Problematik diskutiert und dokumentiert wird: z.B. Goth vs. Emo oder Goth and Emo oder Emo als Subkultur
Humorvoll mit weiteren Cartoons wird das Thema von Trellia abgehandelt: Emo-Kids
Mitten ins Schwarze getroffen! :-D

Was genau stört mich nun daran, als Emo bezeichnet zu werden?
Zum einen sollte man auf den ersten Blick und anhand ganz oberflächlicher Kriterien - Kleidung und Frisur z.B. - erkennen können, daß ich keiner bin. Auf der anderen Seite - und das können die wenigsten beurteilen - passe ich von meinen Interessen und Charakterzügen gar nicht ins Emoraster - Klischees lassen grüßen. 
Um's klarzustellen: ich habe nichts gegen Emos, ich habe nur etwas dagegen, diesen (oder irgendeinen) Stempel aufgedrückt zu bekommen. Und ich habe etwas dagegen, daß einige Unbelehrbare meinen, sie könnten mit ein paar dummen Bemerkungen Einfluß auf die Lebensgestaltung anderer nehmen. Selbst meiner Schwiegermutter antworte ich auf "Du mußt...blablabla..." mit "Ich muß gar nichts, nur irgendwann einmal sterben!"

6 Kommentare:

  1. Mir ging das früher in der Schule genauso. Es hat erst aufgehört, als ich mit langen Röcken und Mänteln hin bin und die ersten Male einige vor glotzen gegen die Türen gelaufen sind. War spassig für mich und inzwischen ist das völlig unproblematisch. Mit ein wenig Aufklärungsarbeit wurde ihnen dann auch klar, dass ich kein Emo bin und keine Kinder fresse.
    Aber man kennt es ja. Erstmal dumm reden und dabei so tun als wären sie die Größten.

    Liebe Grüße,
    Anna Noctis

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  2. Also mir wurde immer nur "Satan" hinterhergerufen, was ich aber auch nicht ganz verstanden hab. Wollten die damit ausdrücken, ich wäre Satan? Zu der Zeit gab es noch keine Emos bzw. war das noch kein allgemein gültiger Begriff für andersangezogene Menschen^^
    Na ja trotzdem falle ich lieber so auf als gar nicht, hihi^^

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  3. So ist nun einmal das Schubladendenken der Gesellschaft. Als ich damals zur Szene gehörte, wurde mir permanent "Zecke" hinterhergerufen, ohne das die Leute wussten was überhaupt eine "Zecke" ist. Sowas finde ich einfach nur traurig und beschämend zugleich!

    Allerliebste Grüße,
    HOLYKATTA

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  4. Uns hat man damals - sprich in den 80ern - nur "Gruftiiiiiiiii!" nachgerufen.
    So richtig konnte keiner etwas mit den Schwarzgewandeten anfangen...
    Ich erinnere mich an eine Begegnung mit einem netten Rentnerehepaar, als ich meinen Freunden zusammen durch die Bonner Innenstadt schlenderte - wir waren damals um die 16 Jahre alt.
    "Och, Kinderchen, ihr seht ja zum Fürchten aus," sprach uns der ältere Herr lieb an und beguckte uns interessiert.
    Wir gut gelaunt und lachend: "Ja, das soll auch so sein!"
    Die ältere Dame: "Seid ihr Punks?"
    Ihr Gatte: "Nääää, Lieselotte, das sind doch keine Punks, die sind doch knatschbunt und haben die Haare so stachelig!"
    Die Dame nickte zustimmend und wandte sich an uns: "Ihr seid wenigstens anständig gekleidet!" Dann wünschten die beiden uns noch viel Spaß und ein schönes Wochenende und zogen von dannen....

    Im Nachhinein frage ich mich, was Lieselotte wohl unter "anständig gekleidet" verstanden hat *grübel* ;-)

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  5. Bin durch Zufall hier gelandet - Du hast ein schönes Blog - liest sich prima! Muss auch ganz oft nicken ;), selbst wenn ich kein 80ies Gruftie bin, aber seit den 90ern schwarz. Mir ist das stets egal, was die Leute denken oder mir nachrufen, das amüsiert mich eher. Aber ist schon klar, dass man sich mit jungen Jahren da erst noch ein dickes Fledermausfell wachsen lassen muss (auf Dein Töchti bezogen). Ich sage immer: Es formt den Charakter, wenn man sich in seinem Anderssein behaupten muss.
    Übrigens ist das auch ein Spruch von mir: Ich muss gar nichts, außer sterben. Der passt einfach immer so gut und tötet jegliche ungewollte Diskussion mit Vorschriften von Anderen.

    Werde hier wohl öfters mal vorbeischauen...also weiter mit den Confessions ;)

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    1. Danke :)
      Ich werd's meiner Tochter ausrichten, Daß sie sich ein dickes Fell zulegen muß, weiß sie im Grunde. Aber das ist für eine Vierzehnjährige leichter gesagt als getan, besonders, wenn einem ein ganzer Pulk gröhlender Idioten an den Hacken hängt. Nicht immer gelingt es ihr, die zu ignorieren.
      Für sie ist es allerdings sehr erleichternd zu wissen, daß sie nicht die Einzige ist, die diese Erfahrungen macht bzw. gemacht hat. Der Zuspruch von anderen tut ihr gut und ist viel gewichtiger als das Gelatscher von Mutti.

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