Sonntag, 11. August 2013

Donnerstag, 8. August 2013

Die Mumie von Diepholz

Das Sommerloch treibt immer seltsamere Blüten. 
Eine ganz besonders exotische pflückte jüngst ein zehnjähriger Nachwuchs-Indiana Jones auf dem Dachboden des großmütterlichen Hauses in Diepholz.
Der Sensationsfund ging vor ein paar Tagen durch die deutsche Presse. Diese wahnsinnig authentische ägyptische Mumie des Schlach-mich-tot-anch-amun samt Grabbeigaben unter irgendwelchen Schindeln oder Dachbalken oder sonst was verborgen erschütterte die Medienlandschaft auf's Äußerste.
Und mein Zwerchfell auch.

 Die Mumie von Diepholz - Foto: Lutz Wolfgang Kettler

Schon lange habe ich nicht mehr so herzhaft gelacht wie über diese hanebüchene Geschichte, die um die Herkunft dieser angeblich echten Mumie von dem Vater des jungen Entdeckers konstruiert wurde. Ein Blick auf die Fotos des Gerümpels genügt, um zu erkennen, daß sich da jemand ganz viel Mühe gemacht hat, Ägyptenkitsch aus den Touristenfallen Luxors oder Hurghadas und deutschen Museumsshops zusammenzutragen, um sich daraus eine private Geisterbahn oder Dekoration für die nächste Halloweenparty zu basteln. Betrachten wir die Mumie doch einmal genauer: besonders die absurde Armhaltung verrät schon, daß es sich dabei um keine echte Mumie handeln kann. Abgesehen davon sind angeschmuddelte Elastikbinden auch nicht wirklich von ägyptischen Utpriestern bei der Einbalsamierung verwendet worden. 

Der Knaller schlechthin ist jedoch der Sarg, eine schnöde Holzkiste, die mit Ägyptentapete, die Ende der 80er bzw. in den 90ern der letzte Schrei in Bau- und Heimwerkermärkten war, verziert wurde. Ähnlich bedruckte Tapeten gibt es immer noch käuflich zu erwerben, u.a. bei Ebay - wie auch diese schlecht modellierte Kanope mit ihrer sinnlosen Inschrift, die der Junge in einer weiteren Kiste auf dem Dachboden gefunden haben will.  Das Leichentuch, auf dem die Mumie ruht, ist auch ein solch typisches Produkt ägyptischen Touristenramschs: ein Batiktischtuch mit ägyptischen Motiven und Pseudohieroglyphen, das man für ein paar Euros in Museumsshops erwerben kann. 
Und diese wirklich schreckliche Replik der Totenmaske Tutanchamuns, die kenne ich noch als Wanddeko meines ägyptischen Lieblingsrestaurants, das ich Ende der 80er häufig besuchte und das leider Mitte der 90er seine Pforten schloß.

Aber wieso gibt sich jemand solche Mühe, bastelt dieses Mumiending und den passenden Sarg dafür und spielt der Presse eine derartige Schmierenkomödie vor? Als Sommerferienfreizeitbeschäftigung für den gelangweilten Sohnemann? Höchst erstaunlich ist ja auch noch, daß diese Geschichte mittlerweile von der Journaille weltweit aufgegriffen wurde. Sind Journalisten wirklich so ungebildet und so leicht an der Nase herumzuführen, daß sie nicht erkennen können oder wollen, daß es sich bei der Diepholzer Mumie um eine Fälschung handelt? Das Teil schreit einen doch schon an: "ICH BIN EIN FAKE, DU IDIOT!"

Beleuchten wir einmal die Hintergründe des Fundes und des Finders: da ist erst einmal der kleine Sohn eines Zahnarztes, der auf dem Dachboden herumkrautet und dabei zuuuufällig auf diese Kisten mit der angeblichen Mumie und den Grabbeigaben stößt. Ja, Zahnärzte....hmmm...die werden ja gerne von solch mysteriösen Erscheinungen heimgesucht. Man denke nur an den Chopper, der Anfang der 80er eine bayrische Zahnarztpraxis heimsuchte: Chopper, die Stimme aus dem Abfluß
Na, und dieser Zahnarzt hat eben 'ne Mumie auf'm Dachboden. Wenn sich so etwas herumspricht, kurbelt das ja auch irgendwie das Geschäft an...vielleicht lief die Praxis nicht mehr so gut?

Eine andere, wesentlich kriminellere Möglichkeit wäre, wenn sich beim Durchleuchten der Mumie herausstellen würde, daß das Ding tatsächlich antike Artefakte enthält, die wiederum aufgrund der fantastischen Geschichte, die der Zahnarzt zum Besten gab - Herkunft derMumie - angeblich aus den 50er Jahren stammten? Damals wurde die Antikenausfuhr nämlich noch nicht so streng reglementiert. Erst 1983 beschloß die ägyptische Regierung, daß sämtliche Artefakte, die auf oder in äg. Boden gefunden werden, Staatseigentum sind und das Land dauerhaft nicht verlassen dürfen. 
Hätte der Großvaters des jungen Entdeckers jetzt also die Mumie samt echter Amulette (möglicherweise oder was sich sonst in der Mumie versteckt) VOR 1983 (im lizensierten Handel) in Ägypten erworben und außer Landes geschafft, wie es der Zahnklempner der Presse weismachen will, wären die Artefakte sein rechtmäßiges Eigentum.
Die Frage ist nun: stammen die Mumie und deren möglicher Inhalt tatsächlich aus den 50er Jahren? 
Ich denke nicht, ich denke eher, die ganze Sache stinkt und zwar gewaltig.

Es ist nun einmal so, daß etliche Objekte in den letzten Jahren seit der Revolution 2011 aus ägyptischen Museen und Magazinen oder von Grabungen geraubt und in den dunklen Abgründen des Antikenschmuggels verschwunden sind. Ein Konvolut solcher illegal erworbenen Artefakte wurde jüngst sogar bei Christie's in London angeboten und nicht nur ein Antikenhändler wurde zu einer schmerzhaften Geldstrafe verurteilt, weil er eben solche Stücke zweifelhafter Provenienz verkauft hat. 

Backen wir ein wenig Spekulatius - Weihnachten ist ja nicht mehr weit...
Wenn jetzt ein solches Objekt vielleicht erst 2011 oder 2012 ans Tageslicht befördert wurde - es muß ja nichts Großes sein, eine kleine Statuette wie ein Uschebti, ein Herzskarabäus, ein Ring... - und es durch irgendwelche obskuren Kanäle und Umwege nach Deutschland geriete, quasi als illegaler Auswanderer (siehe das ägyptische Antikenrecht von 1983), was macht man dann am besten, um die Antiquität zu legalisieren und sicherzustellen, daß man nicht wegen Antikenschmuggels verknackt wird?
Ganz klar: man gibt dem Stück eine falsche Geschichte und macht am besten noch ganz viel Wind darum, daß einem die Story auch nur ja abgekauft wird. 
Die Presse läßt sich ja offensichtlich leicht instrumentalisieren - ganz besonders während des Sommerlochs, wo eh nix los ist!

Aber vielleicht steckt auch nichts dahinter außer einem verspäteten Aprilscherz und die spinnerten Ägyptologen mit ihrer Provenienzfälschungsgeschichte leiden nur an den Spätfolgen eines gewaltigen Sonnenstichs...

Donnerstag, 20. Juni 2013

Hassu Haarlack dabei? - Teil 3


Die 90er oder wie der Haarlack aus meiner Tasche verschwand und wieder zurückkehrte...


Das Ende der 80er bedeutete für mich nicht nur das Ende meiner Schulzeit, sondern stellte auch den Anfang vom Ende meiner aktiven Zeit in der schwarzen Szene dar. Mit dem Abitur eröffneten sich mir endlich die Wege, die ich immer schon einschlagen wollte, fernab von den täglichen Grabenschlachten und Wortgefechten in den Gängen unseres Dorfgymnasiums, fernab von der beschränkten Welt und den Zwängen der Schule, die ich nur durchgestanden hatte, um meinen Traumberuf erlernen zu können...

Mein Freundeskreis änderte sich zwangsläufig in jener Zeit.
Das, was uns während der Schulzeit zusammengeführt hatte, war zum großen Teil hinfällig geworden: wir waren keine Außenseiter im Verband unserer Jahrgangsstufe mehr, eine Handvoll Eigenbrötler, die aus dem Rahmen fielen und sich genau dadurch selbst definierten, die sich abgrenzen wollten und ihren Klassenkameraden hin und wieder gerne Uniformität unterstellten und die Monotonie ihres aus unserer Sicht öden Seins unter die Nase rieben.
Ja, auch ich kann mich und besonders mein Teenie-Ich nicht davon freisprechen, Leute in Schubladen zu stecken bzw. gesteckt zu haben. Und mit der viel beschrienen Toleranz der Schwarzgewandeten war es zumindest in unserem dunkelbunten Umfeld nicht weit her. Wir waren damals Kinder und diesen noch nicht ganz fertigen Menschen sind Eigenschaften wie Verständnis und Nachsicht im Umgang mit ihren Mitmenschen doch ziemlich fremd. Im Gegenteil, wir waren stolz darauf, nicht so zu sein wie alle anderen und blickten sogar mit einem Quentchen Hochmut auf diese langweiligen Normalos herab.
Das Anderssein einte uns – anders im Hinsicht auf die Musik, die wir hörten, die Bücher, die wir lasen, die Themen, die wir diskutierten, die Orte, die wir aufsuchten, die Interessen, die wir teilten. Nicht zuletzt dienten Kleidung, Haartracht und Make-up der Visualisierung der gewaltigen Kluft, die uns in jeglicher Hinsicht von den anderen trennte.

Diese Kluft war plötzlich nicht mehr vorhanden, nach dem Schulabschluß zerbrach der Klassenverband und ich mußte mich neu orientieren.
Ich begann das ersehnte Ägyptologiestudium und traf andere Ägyptenverrückte, mit denen ich mich austauschen konnte, hatte einen guten Nebenjob in einer Arztpraxis (eine weiße Kluft war unumgänglich), und der Kontakt zu meinen alten Freunden brach langsam, aber sicher ab.
Meine Vorliebe für schwarze Kleidung, Horrorliteratur und -filme und mein Musikgeschmack änderten sich zwar nicht, jedoch kamen andere Interessen hinzu: mein Horizont erweiterte sich und damit verschoben sich meine Prioritäten. Was in den 90er Jahren in der schwarzen Szene passierte, ist größtenteils an mir vorbeigegangen bzw. weiß ich nur vom Hörensagen. Ich hielt mich damals im wesentlichen in der Uni oder an meinem Arbeitsplatz auf und fuhr, so oft es mir möglich war, nach Ägypten (Pikes sind nicht sehr zweckmäßig, um in Gräbern herumzukrauten und schwarze Klamotten sorgen im Hochsommer im Luxor nur für einen Kreislaufkollaps). Außerdem pflegte ich verstärkt eines meiner Hobbies: die Darstellung einer Klingonin aus Star Trek. Im Nachhinein sehe ich zwischen meiner schwarzgewandeten Klingonin und dem gruftigen Teenager, der ich einmal war, einige Parallelen. Nicht nur, daß ich die Einzige in meinem damaligen Umfeld war, die einer solch exotischen Freizeitbeschäftigung nachging, ich suchte und fand dadurch neue Freunde und Bekannte, denen es ebenso Spaß machte, sich die Kostüme und Masken, die man für eine ordentliche Darstellung brauchte, selbst zu nähen und zu fabrizieren. Wie oft haben wir Nerds, von den Briefmarken sammelnden Normalos spöttisch belächelt, gemeinsame Basteltage verbracht, Maskenbildnertipps ausgetauscht und uns beim Schminken und Maske/Kostümanlegen geholfen, bevor es auf eine Convention ging! Ja, auch da hatte ich Haarlack dabei, um die struppige Klingonenkreppfrisur, die doch ein wenig an den Zottellook meiner Gruftizeit erinnerte, den Tag überstehen zu lassen!
Ein wenig war es wie früher, als man sich seine Gruftklamotten selber nähte und seinen Nietenschmuck selbst zusammendrosch, sich beim Toupieren der Haare helfen und von der Freundin den Lidstrich ziehen ließ...

Nur war die Klingonin nicht mehr als eine Verkleidung für mich, die mich aus dem Alltag ausbrechen und in eine andere Rolle schlüpfen ließ, der Grufti (oder meinetwegen auch Goth) jedoch ist tief in mir verwurzelt. Er ist ein Teil meines Ichs, ein ziemlich eigensinniger Teil, der gerne gegen gesellschaftliche Zwänge rebelliert, aber mittlerweile akzeptiert hat, daß es unumgänglich ist, sich hin und wieder den gängigen Normen anzupassen – wenigstens ein Stück weit – und der durchaus in der Lage ist, zu erkennen, wann man besser die Pikes und Nietengürtel im Schrank zu lassen hat.

Im Grunde ist dieser Teil in den 80ern stecken geblieben. Mag sich die schwarze Szene auch weiterentwickelt haben, ich bleibe meinem altmodischen Gruftstyle treu. Mit Cybergoths kann ich nichts anfangen, die sind mir zu bunt und zu schrill und was Steampunk mit Gothic zu tun hat, erschließt sich mir auch nicht. Da bin ich konservativ. Überhaupt schaue ich mir mit Staunen und teilweise offenem Mund an, was es so alles für den Gothic von heute und die kuriosen Ableger, die die schwarze Szene getrieben hat, zu erwerben gibt. Und mehr als einmal habe ich mich schon bei dem Gedanken „Das hätte es damals bei uns aber nicht gegeben!“ ertappt. Naja, leben und leben lassen und wer Spaß am pinkfarbenen Schläuchen mit blinkenden LEDs auf'm Kopf hat, dem sei der von Herzen gegönnt!

Wenigstens brauche ich bei diesen Cybergoths keine Angst zu haben, daß sie mir ein Paar Pikes vor der Nase wegschnappen und die Ruhe auf meinem Friedhof stören! ;-)


P.S.: Wenn ich von „wir“ oder „man“ schrieb, meinte ich damit nicht generell die schwarze Szene, sondern ausschließlich meinen damaligen Freundeskreis und meine Wenigkeit. Bei „den anderen“ handelt es sich dementsprechend um Mitschüler, Kommilitonen, Kollegen, Verwandte etc. Kurz: die Typen aus den Schubladen „Popper“ und „Normalo“ :-D

Mittwoch, 19. Juni 2013

Hassu Haarlack dabei? - Teil 2

Oder wie man als Grufti in den 80ern überlebte...


So abwegig war die Idee eigentlich nicht, den Haarlack als Waffe zu gebrauchen – selbstverständlich nur zur Selbstverteidigung und nicht um ein paar Popperkids ihrer rosafarbenen Poloshirts zu berauben.
Das klebrige Spray konnte nämlich auch als Tränengasersatz dienen, falls man auf ein paar besoffene Skinheads traf, die gerade darauf aus waren, ein paar „Gruftis zu klatschen“.
Gott sei Dank kam ich nie in eine solche Bredouille, aber ich war froh, immer mein Haarspray in den Untiefen meines Rucksacks zu wissen, nachdem ich schon von dem ein oder anderen unerfreulichen Zusammenstoß zwischen Glatzköppen und Dunkelbunten gehört hatte. Meine Erfahrungen diesbezüglich beschränken sich darauf, nur angepöbelt zu werden, aber das reichte mir schon.
Dabei mußte man nichts anderes tun, als den Skins aus dem Weg zu gehen: deren Revier befand sich beim Hauptbahnhof, das unsrige beim Stadthaus. Traf man sich dennoch in der Innenstadt, die genau dazwischen liegt, hieß es, die Zähne zusammenzubeißen und darauf zu hoffen, daß der Haarlack nicht zum Einsatz kommen mußte.

„Hassu Haarlack dabei?“ ertönte wesentlich zaghafter die Frage, als uns eines Samstagsabends einmal eine Horde krakehlender Skins entgegenkam. Ich nickte stumm und schluckte. „Gut, ich auch,“ wisperte es zurück. Wir taten allerdings cool und ignorierten die Bierflaschen schwenkende Bande, um zügig unserer Wege zu gehen. Der Haarlack wurde an diesem Abend dennoch gebraucht, aber wirklich nur, um die Frisur zu richten!




Eine andere Möglichkeit, diesen unliebsamen Begegnungen zu entgehen, war es, sich auf dem Friedhof zu verstecken und die Party dorthin zu verlegen.
Da trauten sich die Skins nämlich nicht hin.
Bei Kerzenschein und einer Flasche Wein, die die Runde machte, las man klassische Gruselgeschichten wie „Der Horla“ von Guy de Maupassant oder „Carmilla“ von Sheridan Le Fanu. sprach über den unvermeidlichen „Dracula“ von Bram Stoker und dessen diverse Verfilmungen und die frühen Werke von Stephen King (die ich damals als Jugendliche gerne las, heute finde ich die Geschichten eher platt und vorhersehbar), beobachtete Fledermäuse, diskutierte über Gott und die Welt und genoß einfach die Stille bei Mondschein und Sternengeflimmer.
Schwarze Hühner haben wir allerdings nicht geschlachtet und auch keine Grabsteine beschmiert, wie man uns gerne unterstellt(e), und auch Satan nicht beschworen.
Im Grunde haben wir uns einfach nur die richtige Location für unsere Literatur- und Diskussionszirkel gesucht, um diesen Zusammenkünften mal einen etwas hochtrabenden Namen zu geben. Sich Vampirgeschichten mitten in der Nacht auf einem Friedhof oder im Schatten einer alten Burgruine, von denen es in unserer Gegend etliche gibt, zu erzählen, das sorgte für angenehmen Grusel und das ganze Ambiente dafür, daß man vollkommen in die Geschichte eintauchen konnte.




Okkultismus und diverse Praktiken, Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen, waren jedoch auch beliebte Themen, mit denen wir uns beschäftigten. Der einzige Versuch, mit einem Verstorbenen zu kommunizieren endete jedoch dank eines zu hohen Alkoholpegels der Beteiligten in albernem Gegacker, als wir unsere erste (und letzte) Séance abzuhalten versuchten und unser angebliches Medium mit dem Knie von unten an die Tischplatte klopfte und im schaurigen Tonfall „Buhuhuhuuuuuu!“ hauchte...

Dienstag, 18. Juni 2013

Hassu Haarlack dabei? - Teil 1


Oder wie man in den 80ern als Grufi überlebte...


Es war ein schöner Samstagabend, als ich diese Frage das erste Mal vernahm.
Irgendein Sommerwochenende in den 80ern und die Ampel war gerade rot.
Ich saß hinten im Auto, vor mir eine Freundin, die knapp zwei Jährchen älter war als ich und gerade ihren Führerschein gemacht hatte, daneben ihr Freund. Im Kassettenrekorder dröhnte „Shake Dog Shake“ vom Album „Concert – The Cure live“.




Wir waren auf dem Weg nach Meckenheim, um einen Bekannten abzuholen, danach wollten wir in unsere Stammkneipe.
Es war, wie gesagt, Sommer und dementsprechend heiß. Die Fenster hatten wir heruntergekurbelt, aber nur ein Stückchen, damit der Fahrtwind unsere mühevoll zerzausten Haargebilde nicht zerstörte.
Trotzdem pustete es auf der Schnellstraße ganz ordentlich. Ich ging hinter dem Fahrersitz in Deckung – es war ohnehin schwierig genug gewesen, die aufgetürmte Frise heil ins Auto zu bekommen und jetzt auch noch dieser blöde Wind...
Meine Freundin kurbelte beinahe schon panisch die Fenster wieder hoch.
„Hassu Haarlack dabei?“ kiekste sie hysterisch.
Hektisches Gezuppel an weiß-schwarz-lila gefärbten Strubbelhaaren ihrerseits, hektisches Gewühle in der Tasche meinerseits.
Haarlack hatte man damals selbstverständlich immer dabei. 

Zwar war der gekreppte und toupierte Zottellook à la Robert Smith dank Gel und Haarlack ultrastrong bombenfest einbetoniert und das Krähennest quasi sturmsicher, aber selten verließ man das Haus ohne eine Notfallpulle Haarspray.
Endlich hatte ich das Gewünschte in den schwarzen Abgründen meiner Tasche gefunden, reichte meiner Freundin den Haarlack und sie dieselte sich großzügig damit ein. Die Luft im Auto verklebte uns schlagartig die Lungenbläschen, aber die Frisur war gerettet.
Neben uns ein paar Popper im ultrafeinen Ausgehzwirn und Papas BMW, die mit offenen Mündern zu uns herüberstarrten. Wahrscheinlich dachten die, diese komischen Gestalten dröhnten sich mit irgendeiner geheimnisvollen Droge zu – Gruppenschnüffeln im klapprigen schwarz-roten Uraltpolo. Man muß ja schon bekifft sein, wenn man sich Tinto (einer der kleinen Vampire aus „Tierisch vampirisch“ von Jackie Niebisch) auf die Motorhaube malt. Der zierte nämlich die des Autos meiner Freundin samt seiner bluttriefenden Hauerchen.

Wir winkten fröhlich zu den geschockten Popperkids hinüber, sie schauten blitzschnell weg und starrten betreten auf die Ampel, die einfach nicht grün werden wollte.
Was dachten die wohl? Daß wir sie mit unserem Haarlack k.o. sprühen würden, um sie auszurauben? Oder daß wir die Zähne blecken und über sie herfallen würden, um sie auszusaugen?  

Gemütlich lehnte ich mich zurück, als meine Freundin wieder anfuhr.
Die Stimmung war bombig, die Haare hielten dank einer Extraportion Haarlack und wir gröhlten "Primary"mit...




Montag, 17. Juni 2013

Back to the roots...boots...PIKES!

"Als Pikes bezeichnet man Schuhe, die vorne extrem spitz zulaufen.
(...)
Pikes wurden seit den 1980er Jahren bevorzugt von Anhängern der Wave- und Gothiksubkultur getragen, hier meist als knöchelhöhe Stiefeletten mit drei bis fünf Schnallen, jedoch sind auch flache Halbschuhe (mit gar keiner oder nur einer Schnalle) und höhere Stiefel (bis mindestens Kniehöhe und etwa 10 Schnallen) erhältlich."
Quelle: Wikipedia

Meine ersten Pikes kaufte ich Mitte der 80er Jahre, nachdem ich lange mein Taschengeld dafür gespart hatte. Die Dinger kosteten damals die nicht unwesentliche Kleinigkeit von ca. 150 DM, was für mich als Schülerin ein Haufen Kohle war. Um so geiler war's, als sie endlich mein waren!
Das war auch das erste und einzige Mal, daß ich jenes angeblich für das weibliche Geschlecht typische Glücksgefühl empfand, wenn frau sich ein Paar Schuhe kauft. Den Besuch eines Schuhladens sehe ich eher als notwendiges Übel an, das sich nicht umgehen lässt, wenn ich ein paar neue Treter brauche. Meistens gibt es eh nix, was mir gefällt und wenn doch, dann nicht in meiner abartigen Schuhgröße (42) - höchstens in der Männerabteilung.

Mein treuer (linker) Pike

Meine Pikes jedoch, ach, die sind vielmehr als nur schnödes Schuhwerk für mich! 
Zu allem Überfluß werde ich jetzt auch noch nostalgisch und ein wenig wehmütig...
Aber es hängen jede Menge Erinnerungen an diesen zwei eleganten, schmal-spitzen Stiefeletten aus weichem Veloursleder, jede mit einem schwarzen Reißverschluß und sechs Schnallen versehen. Niemals wieder stand ein Paar schönere Schuhe in meinem Schuhregal...
Die Pikes begleiteten mich fürderhin in die Schule, zum Abi-Ball, auf Reisen, Parties, in unsere damalige Stammkneipe. Wo ich hinging, da gingen auch meine Pikes hin.
Um sie ein wenig aufzupimpen, montierte ich Ketten dran - aus dem Baumarkt und mit Draht an die Schnallen getüdelt. 
Ohnehin haben wir damals viel gebastelt und genäht und das schwarze 08-15-Zeug von C&A mit Sicherheitsnadeln, Spitze, Schnüren und Nieten, die man zur Freude der Nachbarn mit viel Getöse in den Stoff gekloppt hat, zu individuellen Kleidungsstücken umgebaut. 
Hauptsache, nicht aussehen wie diese markengeilen Popper in ihren pastellfarbenen Miami Vice-Klamotten!

Gab es schwarzeń Stoff im Schlußverkauf, dann wurde zugeschlagen und Mutter bekniet, die Nähmaschine herauszuholen. Das Schnittmuster meines bodenlangen Fledermausmantels mit weiten Ärmeln und riesengroßem Kragen war natürlich auch selbst entworfen.
Mit meinen klimpernden Ketten-Pikes und diesem Umhang sah ich wahrscheinlich aus wie die dunkle Schwester von Hui Buh, dem Schloßgespenst, aber ich gefiel mir so und fand mich wesentlich cooler als meine in Esprit, Marc O'Polo oder Boss gewandeten Mitschüler. Selbstverständlich sind wir Freaks nie auf eine der Feten eingeladen worden, die jedes Wochenende irgendwo bei einem dieser Benettonfetischisten stattfanden. Aber was sollten wir auch da? Uns deren inhaltsloses Gequatsche anhören und das Gedudel aus den Charts? Neeee, das seichte Geträller von Spandau Ballet und später dann A-Ha - darauf fuhren die halt ab - war einfach nix für mich. Ich war und bin ein großer Fan von The Cure, meine damalige beste Freundin hörte Alien Sex Fiend und ansonsten das, was damals eher nicht in den Top Ten zu finden war.

Nun ja, eigentlich wollte ich nichts über Musik schreiben - ich höre ohnehin das, was mir gefällt, unabhängig vom Genre -, sondern über Pikes. Aber ich bin mal wieder ins Schwaffeln geraten *schäm*
Zurück zum Thema: PIKES!
Mit halb lachendem, halb weinendem Auge hängt mein Blick gerade an dem anscheinend einzigen Überlebenden meiner zwei Paar Pikes, der linke jener wunderbaren Wildlederstiefel, die mich ein Großteil meines Lebens begleitet haben und die bei unserem letzten Umzug leider verschwunden sind. Nun ist der besagte linke Schuh wieder aufgetaucht, der andere bleibt jedoch verschollen, mein zweites Paar - Ballerinas aus Glattleder und mit je zwei Schnallen - ebenso *schnief*

Heutzutage anständige Pikes zu bekommen, ist schier unmöglich. Seit Jahren suchte ich im Internet, bis ich irgendwann über die Schuhmanufaktur Retroshu in GB gestolpert bin. Die scheinen tatsächlich exakt die Pikes anzubieten, die ich suche: Klone meiner alten - mit dem Unterschied, daß der Reißverschluß bei meinen schwarz ist und da silbern. Aber so kleinlich simmer ja dann doch nich'! 
Leider Gottes hat sich mein anfangs gutes Bild von dieser Firma nach etlichen Recherchen in Mißfallen aufgelöst und daher sehe ich davon ab, dort zu bestellen.
Und über das Drama mit Fantasyshoes und Pennangalan will ich kein Wort verlieren. Außerdem scheinen die dort angebotenen Pikes meinen alten Babies nur auf den ersten Blick zu ähneln. Wie ich das sehe, besitzen die eine Naht zwischen Spitze und Reißverschluß und das finde ich ätzend. Als Alternative bieten sich zweifellos auch die Winklepickers der altbekannten Firma Underground an, aber die führen leider keine Klone meiner Veloursleder-Pikes.


Pikes von Nevermind

Nun stehen hier also diese wunderschönen neuen Pikes von Nevermind herum, mit denen mich die böse liebe Sally vom Paranox in Bonn in Versuchung geführt hat. Ich betrat den Laden und sie schmetterte mir fröhlich entgegen: "Wir haben übrigens Pikes da!" Und dann gab es die auch noch in meiner Größe...
Ich war quasi willenlos, als sie sich erst einmal an meinen Füßen befanden.
Und es war beinahe wieder so wie damals...

Montag, 22. April 2013

Schwarzträger = Emo?!?!

Der letzte Samstag war einmal wieder sehr aufschlußreich, was die Intoleranz und Beschränktheit unserer Mitmenschen angeht. Wirklich erstaunlich war, daß sich diese Zusammenstöße mit Jugendlichen ereigneten, von denen man doch eigentlich eine gewisse Aufgeklärtheit und Liberalität erwarten könnte - nicht zuletzt dank der Vielfalt an Medien und Informationen, die heutzutage zur Verfügung stehen.
Ob ich zuviel von diesen pubertären Gören erwarte? Bestimmt. 
Das, was ich erwarte, weil ich es auch anderen entgegenbringe, ist ein Mindestmaß an Respekt und Toleranz. Und wenn man letzteres schon nicht aufzubringen vermag, dann sollte man sich auf seine gute Erziehung besinnen - falls man eine solche überhaupt genossen hat - und nicht in der Öffentlichkeit herumpöbeln.

Kurz zur Vorgeschichte: am Samstag besuchten meine vierzehnjährige Tochter und ich den Berufsinformationstag in der Schule, eine Pflichtveranstaltung. Ich trug halt mal wieder meine üblichen schwarzen Klamotten - was auch sonst? Mein Mantel ist vielleicht ein Stück zu lang für den konventionellen Geschmack und ab der Taille zu ausgestellt und meine Pikes (jaaaaa, ich hab' mir letzten Monat neue gegönnt!) ein wenig zu spitz ;-)  Das Töchti folgt Mamas 80er Jahre-Gruftstyle nicht wirklich, aber nimmt gerne meine alten Klamotten, die noch aus meiner Teenagerzeit stammen (und die ich gehegt und aus nostalgischen Gründen aufbewahrt habe), kombiniert die mit den ihren und verfolgt ihren ganz eigenen dunkelbunten Stil.
Also tauchten wir beide schwarzgewandet - also in unserer alltäglichen Kleidung - in der Schule auf...

Quelle: Google Bildersuche - Cartoon spukt auf etlichen Internetseiten herum.
No copyright infringement intended.


"Emo!" war noch das Harmloseste, was man uns hinterherrief - das sollten wir an diesem Tag noch öfters zu hören bekommen -, und "Halloween ist schon vorbei!" Das kam ausgerechnet von einem Halbstarken, dessen Hose unter'm A... hing und der aussah, als wäre er in die Zombieapokalypse geraten, nun ja...
Ein 14-/15jähriger meinte gar, mir raten zu müssen, ich solle erwachsen werden *LOL* Das war der Knaller schlechthin!
Leider hat meine Tochter noch kein so dickes Fell wie ich und reagiert auf solche Zurufe. Ich registriere diese Äußerungen zwar, sie prallen jedoch an mir ab. Ich schere mich nicht um das, was Fremde, die mich nicht kennen und auf deren Bekanntschaft ich auch nicht unbedingt Wert lege, von mir halten. Genau das versuche ich auch meinem Töchti beizubringen und bislang klappt das ganz gut. Nebenbei bemerkt bin ich sehr stolz auf mein Mädchen: auch wenn sie sich über diese Dumpfbacken ärgert, läßt sie sich nicht von ihnen beeinflussen, sondern zieht ihr Ding durch. Nur der Spamfilter auf ihren Ohren muß noch undurchlässiger werden.

Das Einzige, was mich nervt, ist, wenn man mich als Emo bezeichnet, muß ich zugeben. Ich hasse es, in diese Schublade gesteckt zu werden, auch wenn sich derjenige, der alle Schwarzträger für Emos hält, dadurch als ignoranter Dummkopf erweist. Keine Ahnung von Subkulturen, aber man hat ein modisches Schlagwort aufgeschnappt und freut sich offensichtlich, damit mal jemanden beleidigen zu können. Denn an der Schule hier ist EMO schon längst die Abkürzung für Emotionales Mobbing Opfer geworden. Supi!

Eigentlich ist es traurig, daß die meisten Halbwüchsigen nur durch die Herabsetzung anderer von ihren Minderwertigkeitskomplexen ablenken und somit ihr Selbstbewußtsein (oder Selbstüberschätzung?) vor ihrer Clique demonstrieren können. Selbstbewußtsein...hmmm, besitzen diese Kids, die mitten in der Phase der Selbstfindung stecken, so etwas überhaupt? Ich meine damit: sind sie sich ihrerselbst überhaupt bewuß?
Schauen wir einmal, was Wikipedia (die m.E. kein ernstzunehmendes Nachschlagewerk ist, aber naja...) dazu sagt: "Selbstfindung ist ein Begriff aus der Enwicklungspsychologie Er beschreibt einen in der Pubertät beginnenden Prozess, durch den ein Mensch versucht, sich in seinen Eigenheiten und Zielen zu definieren, vor allem in Abgrenzung von der Gesellschaft und ihren Einflüssen."
Ähm, ja...für die Kids, denen wir begegnet sind, gilt das wohl nicht. Die definieren sich anscheinend nur durch größtmögliche Anpassung an die Gesellschaft, deren Normen und Trends. Ist ja auch kein Wunder, denn um sich selbst zu finden, muß man sich erst einmal suchen - was aber, wenn die Suche ergebnislos bleibt? Bei den Typen, die hohler sind als Christbaumkugeln, gibt's eben nicht viel zu entdecken. Denen bleibt nichts anderes übrig, als dem Rest der Hammelherde zu folgen und sich anzupassen.                                                                                                                                                                                         

Quelle: Google Bildersuche - Cartoon spukt auf etlichen Internetseiten herum.
No copyright infringement intended. 

Daher sollte ich auch deren "Emo!"-Ruf überhören - dafür bleibt mir das genervte Stöhnen und Augenrollen anderer Grufts im Gedächtnis kleben, die das ebenfalls kennen und schon so betituliert worden sind.
Keine Sorge, es folgt jetzt keine Sonntagspredigt über die Unterschiede zwischen Emos und Goths. Es gibt genügend Seiten im Internet, wo die Problematik diskutiert und dokumentiert wird: z.B. Goth vs. Emo oder Goth and Emo oder Emo als Subkultur
Humorvoll mit weiteren Cartoons wird das Thema von Trellia abgehandelt: Emo-Kids
Mitten ins Schwarze getroffen! :-D

Was genau stört mich nun daran, als Emo bezeichnet zu werden?
Zum einen sollte man auf den ersten Blick und anhand ganz oberflächlicher Kriterien - Kleidung und Frisur z.B. - erkennen können, daß ich keiner bin. Auf der anderen Seite - und das können die wenigsten beurteilen - passe ich von meinen Interessen und Charakterzügen gar nicht ins Emoraster - Klischees lassen grüßen. 
Um's klarzustellen: ich habe nichts gegen Emos, ich habe nur etwas dagegen, diesen (oder irgendeinen) Stempel aufgedrückt zu bekommen. Und ich habe etwas dagegen, daß einige Unbelehrbare meinen, sie könnten mit ein paar dummen Bemerkungen Einfluß auf die Lebensgestaltung anderer nehmen. Selbst meiner Schwiegermutter antworte ich auf "Du mußt...blablabla..." mit "Ich muß gar nichts, nur irgendwann einmal sterben!"

Montag, 25. Februar 2013

Suchbegriffe

Ist schon wirklich lustig, mit welchen Suchbegriffen manche Leute auf meinen Blog geraten. Eine kleine Auswahl:
  • "J.R. Ewing Magengeschwüre": ok, wir wissen, er hatte keine, er verursachte sie!
  • "J.R. Ewing wie mein Vater": oh Gott, echt? Soll ich jetzt Mitleid empfinden oder dich beneiden?
  • "Schule Gewissen": wen oder was hat die Schule auf dem Gewissen? Außer deiner Kindheit, die viel unbeschwerter hätte verlaufen können, gäbe es diese Institution nicht!
  • "Nicht für die Schule, sondern für das Leben...": du glaubst das doch nicht etwa?
  • "Schule lernen": ääääh ja... 
  • "nicht da zu lernen im leben": ok, dann bleib halt doof! *kopfschüttel* Wozu denn dann? Hartz 4 bekommen und den ganzen Tag Playstation zocken? Wie laaaaaangweilig!
  • "Flotte Haarfrisuren ab 35", "Frisur schnell flott ab 35", "Flotte Frisuren ab 50" o.ä.: DIE Suchbegriffe schlechthin! Du willst wissen, wie man sich als Mittdreißigerin oder Fuffzigerin schnell eine flotte Frisur zulegt? Ganz einfach! Nach Michel aus Lönneberga stülpt man sich eine Suppenschüssel über den Kopf und schnippelt alles, was drunter hervorguckt, ab und voilà, der perfekte Allerweltstopfschnitt für die flotte 08-15erin!
  • "frau kauft schuhe": jup, das tun Frauen mitunter! Für mich allerdings eine Horrorvorstellung :-P
  • "kochprofis sind unsymphatisch": ääääh...was bedeutet das? Kommt das von Symphyse? Ist das ein Krankheitssymptom, wenn man unsymphatisch ist? Ob die Kochprofis das haben, dazu kann ich nix sagen, ich kenne die Kochprofis nicht so genau, um beurteilen zu können, ob sie an einer Fehlbildung der Schambeinfuge leiden!
  • "wo schreibe ich die Kochprofis": Wo du willst, bleibt dir überlassen! Aber das Schreibzeug nicht vergessen, wenn du das ultimative Werk und die ungeschminkte Wahrheit  über die Kochprofis veröffentlichen willst. Ich bin schon gespannt! Was könnte das wohl sein? In Wirklichkeit lassen die sogar das Nudelwasser anbrennen, wa? Apropos Wahrheit...
  • "shopping queen wahrheit": ob ich die ertragen könnte? Ich glaub', ich will die gar nicht wissen!
  • "Karmin Seilnacht: Kamin in Verbindung mit Seilnacht hätte mir ja etwas gesagt (Kamin, Seil, Nacht = Weihnachtsmann, der sich nachts durch den Kamin abseilt), aber Karmin? Naja, vielleicht färbt Santa Claus seine Klamotten mit Karmin, keine Ahnung *ratlosguckt*

Mittwoch, 6. Februar 2013

Veganismus - eine moderne Form des Tierkults

Ich esse kein Fleisch. Schon seit einigen Jahren.
Der Verzicht darauf fiel mir nicht schwer, weil ich Fleisch einfach nicht so gern mag wie Gemüse und Obst. Außerdem bin ich ein begeisterter Breichenesser und liebe Grießpudding, Milchreis und Apfelmus. Ich finde es zwar eklig, Teile von toten Lebewesen zu verspeisen, und liebe Tier sehr, jedoch spielten moralische oder ethische Gründe bei meiner Entscheidung nur bedingt eine Rolle, um nicht zu sagen so gut wie gar keine. 
Allerdings denke ich hin und wieder daran, mir doch mal einen fetten Döner 'reinzuziehen, um nicht mit den veganen Hasspredigern, die im Fratzenbuch oder diversen Internetforen herumspuken, in den gleichen Topf Tofusuppe geworfen zu werden. Über die Kreuzzüge, die dort geführt werden, um die ungläubigen Fleischesser zu bekehren, breitet man am besten den Mantel des Stillschweigens. Wären es Islamisten, die so aggressiv argumentierten und herumpöbelten, wäre der Staatsschutz schon längst eingeschritten. 

Diese Diskussionen, die oft in Hetzkampagnen ausarten, fangen oft recht harmlos an. Nehmen wir mal die FB-Seite einer bekannten, zertifizierten Naturkosmetikmarke, die netterweise etliche vegane Produkte anbietet, aber auch solche, die Bienenwachs oder Karmin enthalten. Jedes Mal, wenn das FB-Team besagter Firma neue Waren vorstellt oder bereits länger im Sortiment befindliche promotet, kommen zwei unvermeidliche Fragen: 1.) Ist das auch tierversuchsfrei? und 2.) Ist das vegan?
Zu Frage 2: ja, die Faulheit der Fragesteller, die sich nicht die Mühe machen wollen, die INCI des betreffenden Produkts nachzulesen, nervt mich persönlich, aber nun ja, die Frage ist durchaus berechtigt, handelt es sich bei besagter Marke nicht um ein vegane.
Zu Frage 1: ebenso gut könnte man auch die Frage stellen: "Bin ich doof?" und beide könnte man mit "JA!" beantworten. Läge einem das Thema Tierversuche und Kosmetik wirklich am Herzen, wüsste man, daß in Deutschland Tierversuche für Kosmetik schon seit Ende der 90er und europaweit seit 2004 verboten sind. Und ab März 2013 dürfen dann endlich auch europaweit keine Kosmetika mehr verkauft werden, die an Tieren getestete Inhaltstoffe enthalten. 
Die Frage "Seid ihr eine tierversuchsfreie Kosmetikmarke?" ist also so überflüssig wie ein Kropf - vor allem, wenn es sich um zertifizierte Naturkosmetik handelt. Die Kriterien des BDIH z.B. schließen Tierversuche aus. Siehe http://www.kontrollierte-naturkosmetik.de/richtlinie.htm 
Ob der Fragesteller nun meint, sich so als Gutmensch profilieren zu können, sei dahingestellt, ich rolle nur noch mit den Augen über so viel Unfähigkeit, sich selbst Informationen zu beschaffen und ernsthaft mit einem Thema zu befassen, das einen angeblich doch soooo sehr beschäftigt!

Quelle: vebu.de


Auch an der beständigen Kritik an den Rohstoffen tierischen Ursprungs wie Bienenwachs können sich endlose Debatten entzünden, die häufig in Schlammschlachten ausarten. Da wirft man dann mit Halbwahrheiten, die als Fakten dargestellt werden, um sich und schwingt die Moralkeule. Nicht nur einmal hatte ich den Eindruck, der ein oder andere Veggie würde am liebsten den Heiligen Krieg gegen die Metzgerinnung ausrufen und am besten sofort alle Konsumenten von Rohstoffen und Produkten, die aus oder von Tieren hergestellt werden, auf den Scheiterhaufen bringen. 
Ich verstehe durchaus, daß es sich hierbei um ein emotional belastetes bzw. belastendes Thema für Vegetarier/Veganer handelt. Die Polemik, mit der jedoch die Gemüsetaliban neue Anhänger für ihren Kult zu gewinnen suchen, schreckt eher ab und provoziert das genaue Gegenteil.
Seltsamerweise begegnet mir ein solches Verhalten beinahe ausschließlich von dieser Seite aus, die Fleischverzehrer bleiben eher gelassen - meine subjektive Beobachtung wohlgemerkt!

Quelle: toonpool.de


Ich finde es ziemlich erschreckend, mit welcher Radikalität und Kompromißlosigkeit von veganer Seite aus Forderungen aufgestellt werden, die allerhöchstens in unseren reichen Industriestaaten - wenn überhaupt - durchgesetzt werden könnten. Das Konstrukt einer Welt, in der Mensch und Tier gleichberechtigt existieren und kein Lebewesen mehr ausgebeutet wird, dürfte utopisch bleiben, solange es immer noch Menschen gibt, deren (Über-)Leben vom Tier und dessen Produkten abhängig ist, oder solche, die ihre Mitmenschen versklaven und ausbeuten. 
Glücklicherweise sind diese Extremisten - die gibt es ja in jeder Religion - eher selten, dummerweise sind es jedoch die Krachschläger, die einem im Gedächtnis bleiben...

Gemäß dem kölschen Motto "Jeder Jeck ist anders" hüte ich mich davor, meinen Mitmenschen meinen Lebensstil aufzudrängen. Wenn jemand auf sein Schnitzel und Rumpsteak nicht verzichten mag, bitte schön, solange er mich nicht dazu zwingen will, das Fleisch zu essen! Es ist jedem Individuum selbst überlassen, mit welchen Lebensmitteln es sich ernährt. Hierzulande haben wir glücklicherweise die Möglichkeit, wählen zu können! 
Und deshalb werfe ich auch meinen mit Karmin gefärbten Lippenstift nicht weg, auch wenn ein paar Oberschlaue meinen, der bestünde aus gemahlenen Läusen, weil sie keine Ahnung haben, wie der rote Farbstoff gewonnen wird* oder weil sie einfach nur Stunk machen  wollen.
Wer weiß, welches Massaker die jede Nacht anrichten, wenn sie sich im Schlaf auf ihrer Matratze umdrehen und dabei Millionen von Spinnmilben plattwalzen! Solche Massenmörder, pfui!

* Karmin wird tatsächlich aus Cochenilleläusen gewonnen. Siehe http://www.seilnacht.com/Lexikon/Cochenil.htm
Es befinden sich jedoch keine ganzen, zermahlenen Läuseleichen im Lippenstift oder im Campari!