Samstag, 7. September 2013

Missionierungsversuche - Teil 1

Oder wie man einen Grufti bekehrt und warum das ein sinnloses Unterfangen darstellt...


Jeder, der nicht dem gängigen Ideal des deutschen Durchschnittsbürgers entspricht, wird sich früher oder später mit dem Vorschlag, der Bitte oder dem Befehl konfrontiert sehen, sich doch bitteschön oder gefälligst "normal" zu kleiden und die Haare entsprechend zu stylen - entweder seitens der Verwandtschaft, der Mitschüler und der Lehrer, seitens der Kollegen oder des Chefs oder aller, die dir irgendwann über den Weg laufen und die ungefragt ihre Meinung zu deinem Aussehen äußern müssen.

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als meine Mitschüler den Versuch starteten, mich in ihre Gemeinschaft zu integrieren. Das Ganze hatte nur einen Haken: ich wollte nicht!
Eine unbeirrbare Gesandtschaft der Kongregation pastellfarbener Lacosteshirtträger konnte es dennoch nicht lassen, mich auf den rechten Pfad zurückzuführen und aus der Dunkelheit hin zum Licht!
Wir hatten Sport. Aerobic. Sydne Rome. Eine ältliche Lehrerin in rosa Leg warmers, passendem Stirnband und einem dieser komischen Badeanzüge, die man über hautengen Gymnastikhosen trug. Himmelblaue Turnschuhe und Lackgürtel  mit Glitzersternchen. Ein Alptraum. Horror pur.
Die Jungs dürften Basketball spielen und Hockey, aber wir Mädchen mußten zu den ohrenbetäubenden Klängen einer Jane-Fonda-LP auf der Stelle treten und in spastischen Zuckungen zu den Rhythmen irgendeiner Disko-Pop-Tralala-Schnulze herumhampeln. Machte irrsinnigen Spaß und ungefähr so viel Vergnügen wie Brechdurchfall.

Unter Vortäuschung heftiger Kopfschmerzen - ich mußte mich noch nicht einmal anstrengen, leidend dreinzuschauen -  setzte ich mich an den Rand auf eine Gymnastikbank und muffelte vor mich hin. Da bemerkte ich, wie sich eine Abordnung von fünf, sechs Mädels im ähnlich stylischen Outfit wie die Lehrerin in mein Blickfeld schob. Als sie sich zu mir setzten und mich mit mildgütigem Lächeln von oben herab musterten, konnte ich sie kaum noch ignorieren. Es war jene Art von Gesichtsausdruck, mit dem man durchgeknallte Geisteskranke ansieht, ein wenig unsicher, aber gleichzeitig besänftigend und vorsichtig, um keine unvorhergesehene Reaktion seitens des Irren zu provozieren.
Der Irre, vielmehr die Irre war ich und ich war nicht sehr erbaut über die Störung.  Meine mürrische Miene hielt die missionswütige Schwesternschaft vom Orden der heiligen Burlingtonsocke jedoch nicht davon ab, mich anzuquatschen.
Und als sie mir im sanften Tonfall mitteilten, was der Grund ihres Überfalls war, nachdem sie sich huldvoll nach meinem Befinden erkundigt hatten (mein undeutliches Geknurre verschreckte sie auch nicht), fiel ich vor Schreck fast von der Gymnastikbank. Man wollte mich zu einer der regelmäßig stattfindenden Klassenparties einladen! MICH?!?!?! Wieso um Himmels Willen?
Man erklärte mir daraufhin und das auch wieder in einem Tonfall, als würde man mit einem minderbemittelten Kleinkind reden, daß es ja nicht anginge, daß ich immer von allen Gemeinschaftsaktivitäten ausgeschlossen wäre und es doch traurig wäre, daß ich nichts mit ihnen, meinen Klassenkameraden, zu tun haben wollte.
Hey, das hatten die immerhin mitbekommen! So doof, wie ich immer dachte, waren die dann doch nicht!

Ich muß dann allerdings ziemlich dumm aus der Wäsche geguckt haben und besonders, als sie mich fragten, wieso das denn so wäre, verrutschte meine Abwehr signalisierende Miene.
"Wir haben nichts gemeinsam," brummte ich, nachdem ich meine Fassung wiedergewonnen hatte. Dieses einfache Statement fasste meiner Meinung nach gut zusammen, was Fakt und nicht zu übersehen war. Davon ließen sich die pastelligen Poppergirls jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Ganz im Gegenteil, nun fühlten sie sich erst recht angestachelt, mir zu beweisen, daß dem nicht so sei.
Wie ich das denn meinen würde, wollten sie wissen.
Sacht mal, rede ich Kisuaheli oder was? Seid ihr blind?  Das Popperpony zu lang?
Ich war versucht, in bester Tarzanmanier mit "Du rosa, ich schwarz!" zu antworten, aber schwuppdiwupp entspann sich unter den Grazien eine heftige Diskussion, daß ich mich ja nur ein wenig mehr anpassen und auf sie zugehen müßte. Die Rede war von Klamotten in freundlicheren Farben und Spandau Ballet und Duran Duran und...ach, ich weiß nicht mehr, was sie mir noch alles schmackhaft machen wollten. Irgendwann schaltete ich mein Gehör ab und ging auf's Klo.

Die Party fand ohne mich statt.

3 Kommentare:

  1. Solche Situationen kommen mir total bekannt vor:D
    Coole Reaktionen!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich muß gestehen, ich war gar nicht so cool, ich war nur extrem genervt von den Leuten aus meiner Klasse und davon, daß die mich nicht in Ruhe lassen konnten. Innerlich brodelte es *GG*
      Wie ist es denn dir ergangen, wenn ich fragen darf? Und wie hast du in solchen Situationen reagiert?

      Löschen
    2. Uah 3. Versuch.

      Egal ob genervt oder nicht, super Reaktion. Meine besten gabs auch wenn ich die Nerven verloren hab.

      In der Schule gabs bei mir eher Mobbing als Integrationsversuche. Das lies sich aber mich ein paar gezielten Tritten sehr gut abstellen, und dann in Ruhe zu sein fand ich super.
      Nur in der Oberstufe hatte ich ein Lehrer der sein Hass auf andersartige Leute sehr deutlich an mir ausgelassen hat, auch im Bezug auf Noten. Trotzdem hab ich ihm über die gesamte Zeit auf die Füße getreten das sich sein Hass wenigstens Lohnt, mich grundlos anzicken geht nicht.

      Privat ist mein Vater am schlimmsten, der kann das anscheinend nicht kapieren. Immer wieder kommen Versuche und Angriffe, die aber mit nein ich ändere mich nicht und viel Ignoranz abprallen. Ich hab auch so alles erreicht.
      Meine "Schickimicki"Tante hat auch einige Versuche unternommen die an der Ignoranz gescheitert sind.
      Oma hat nach einer Erklärung meinen Stil ab da kommentarlos akzeptiert und geht mit mir um wie immer.
      Freunde usw. mussten mich akzeptieren wie ich bin oder es bleiben lassen. Ich bin auch so keine Person die Ja-Sagt und Pflegeleicht ist, zudem ich zu meiner Erheiterung auch öfter mal Mäntel, lange Röcke oder Korsette in der Schule anhatte. Wenn mir nach was war kam das eben mit. Und wer damit nicht mehr klar kam weil die Normalen interessanter waren wurde aussortiert.
      So bin ich heut auch viel allein, was ich auch ganz gut finde, solang ich die Leute hab auf die ich wirklich zählen kann. Und die sind, wen wunderts, alle gruftig.

      Löschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.